21März
2020

17 Uhr bis 23 Uhr

Diesen Blogeintrag habe ich nun geupdatet. Der richtige Text beginnt aber erst weiter unten, denn ich wollte den Eintrag den ich damals in Reno geschrieben habe nicht einfach löschen. Es folgt also erst der alte Eintrag und dann der aktualisierte. :)

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Hey Leute! Ich sehe, dass es täglich einige Zugriffe auf meinen Blog gibt. Leider hatte ich in den letzten Tagen andere Prioritäten oder habe mir einfach mal bewusst Auszeiten genommen. Die Zeiten sind nicht leicht und da hat der tägliche Blogeintrag oft das Nachsehen. Ich habe aber vor, die letzten Einträge auf jeden Fall noch nachzuholen. Wann das sein wird? Schaut einfach immer mal rein, denn ich hab selbst keine Ahnung. :D Aber die Tage waren viel zu ereignisreich, um sie einfach so auszulassen. Da wird also noch was kommen, keine Sorge. Auch für diesen Tag gibt es dann noch einen kompletten Eintrag. Um es nochmal zu erwähnen: Mir geht es gut, ich bin aktuell leicht erkältet, aber sonst ist alles tip top! Gesundheitlich. Emotional sieht es da schon ein bisschen anders aus, aber das ist glaube ich bei jedem gerade so. Ist eben schwer zu verkraften, so eine globale Epidemie, die dir einen Strich durch dein so schönes Auslandssemester macht. Aber hey, vielleicht hat es ja einfach nicht sollen sein. Lasst uns alle stärker daraus zurückkommen und nicht auf das böse sein, was gerade passiert. Es liegt einfach nicht in unserer Macht. Und für mich als bekennenden Introvertierten klingen ein paar Wochen bzw. Monate zuhause auch gar nicht so schlecht. :) Passt auf euch auch! Ich mache das gleiche hier im wilden Westen!

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Ich bin meinem Körper für ewig dankbar, dass ich gerade heute ein bisschen früher als sonst aufgewacht bin. Denn Madi meldete sich spontan im Gruppenchat und sagte, sie wird heute aus der Sierra Hall ausziehen. Sie ist wohl aufgrund der ursprünglichen Anweisungen des Housing Service nach Reno gefahren, um ihre Sachen zu holen. Wie schon gesagt, klasse Idee, allen erst Panik zu machen und sie so quasi zum Zurückkommen zwingen. Aber Madi wollte dann kurz vorher wohl auch nicht mehr ihre Pläne ändern und so kam sie heute gegen 10 Uhr in die Sierra Hall mit ihrer Mutter und zog aus. Als ich ihre Nachricht las, war es aber schon lange nach 10 und so hatte ich Panik: Unsere Fische! Eigentlich war der Plan ja, sie am Ende des Semesters ihr zu übergeben. Wenn sie jetzt auszieht, geht das vielleicht nicht mehr. Und noch schlimmer: Was wenn wir alle zurückfliegen? Was sollen wir mit den Fischen machen? Ich schrieb eine leicht besorgte Nachricht an Madi und erklärte ihr die Situation. Sie erkundigte sich nach der Größe des Tanks und ich schickte ein Foto. Es dauerte ein wenig, aber dann kam die Nachricht: Sie kann die Fische mitnehmen! Sie wollte aber eigentlich in 5 Minuten fahren, also müssen wir schnell machen. Zusammen mit Peter packte ich also jegliches Fisch-Zubehör in Windeseile ein und wir hetzten mit dem Aquarium runter in die Lobby. Madi wartete schon auf uns, begrüßte uns aber wie gewohnt sehr glücklich und nahm uns die Fische ab. Wir bedankten uns vielmals und verabschiedeten uns auch gleich noch persönlich von Madi. Dann stieg sie auch schon in einen großen Truck zu ihrer Mutter und wir winkten noch fleißig. Und das war's dann auch schon. Wieder zwei Abschiede. Sowohl Madi war nun weg, als auch unsere Fische. Schon verrückt, wenn man so drüber nachdenkt. Da haben wir uns einfach so im Auslandssemester Fische geholt. Und nun wachten wir eines Tages auf und mussten sie 1,5 Monate später schon wieder abgeben, weil eine globale Pandemie das ganze Alltagsleben durchrüttelt. Aber gut, ich weiß, dass die beiden bei Madi sehr gut aufgehoben sind. Sie schickte uns noch am gleichen Tag ein Bild von den beiden bei ihr zuhause und will uns auch immer mal wieder auf dem Laufenden halten. Sie ist sowieso wie eine Art Mama (sie war auch die heimliche Mama der Gruppe, würde ich hier mal behaupten), also ich denke, die Fische könnten kein besseres Zuhause haben! :)

Danach ging der Tag wieder ins übliche Muster über. Wir beantworteten ein paar Nachrichten und schrieben Mails, alles das eben. Als wir dann vorhatten, zu The Overlook zu gehen, stellten wir fest, dass wir zu lange getrödelt hatten und es dafür quasi schon zu spät war. Wir hatten aber gottseidank noch genug Essen aus unseren Einkäufen übrig. Am Ende gab es also Ramen, Chicken Bites und Hot Pockets. Hat auch getaugt. Ein Hoch auf Parker's Mikrowelle und den Kühlschrank! Der Nachmittag verlief dann auch wie immer, nur irgendwie noch heftiger als sonst. Ich hatte eine Diskussion mit den Eltern und nebenbei auch noch mit einigen Freunden. Die Forderungen an mich, nach Hause zu kommen, werden immer konkreter. Es macht echt keinen Spaß sich damit auseinanderzusetzen. Ich wünschte wirklich, ich müsste nicht fliegen. Aber die Lage spitzt sich eben immer weiter zu. Ich tauschte mich auch mit Diana aus, die heute wieder aus Austin zurückkam! Heute konnte ich also endlich mit ihr persönlich über die ganze Sache sprechen. Und sie kam sogar schon nachmittags gegen 16:30 Uhr. Wie jeden Tag wollten wir auch den heutigen Tag nutzen, um mal rauszukommen. Dafür war wieder Sport geplant. Da aber jeder mit verschiedenen Organisations-Dingen beschäftigt war, verschob sich das immer weiter nach hinten. Am Ende hatte ich so viel mit meinen Eltern diskutiert, dass ich irgendwann einfach nicht mehr konnte. Ja, vielleicht muss ich nach Hause fliegen, aber ich will die Entscheidung immer noch nicht zu überhitzt treffen. Es tröstete mich ein bisschen, dass ich bald mit Diana in Ruhe persönlich reden konnte und dass viele der anderen mittlerweile auch nach Flügen suchten - mehr oder weniger erfolgreich. Es traf sich am Ende wirklich gut, dass wir es gegen 17 Uhr dann doch noch schafften, uns zum Sport zu verabreden.

17 Uhr bis 23 Uhr - warum heißt dieser Blogeintrag so? Ganz simpel: Das ist genau die Zeitspanne, in der ich aktuell Ruhe habe. Die Zeitspanne, in der es in Europa Nacht ist und ich keine Nachrichten bekomme. Die Zeitspanne, in der ich mich quasi jeden Tag mit den anderen treffe, eine gute Zeit habe und alles für eine Weile vergessen kann. Heute kam mir diese Zeitspanne wieder mal besonders gelegen. Ich traf mich mit Peter, Ema, Daniel und spontan auch mit Diana, die kurz zuvor sicher in Reno gelandet ist und sich uns gleich anschloss. Ziel war wieder das Mackay Stadium für eine Partie Fußball. Vielleicht hatten wir ja heute Glück und der Stadion war leer. Das Wetter war heute viel besser und der kleine Spaziergang tat gut. Als wäre es das normalste der Welt, sperrte Ema das Tor zum Stadion auf und wir liefen zum Feld. Und tatsächlich - niemand da! Wahnsinn! Wir spielten ganz entspannt ein bisschen Fußball. Mitten im Stadion der Uni. Auf dem Rasen, auf dem sonst Footballspieler sich gegeseitig umhauen. Und zwischen den leeren Rängen, auf denen sonst bis zu 27000(!) Leute Platz finden können. Es war ein geiles Gefühl! Peter und Daniel waren bei weitem die besten Fußballspieler. Peter hatte ja sogar schon mal semiprofessionell gespielt und hatte daher natürlich einen Vorteil. Ema konnte auch ganz gut mithalten und ich würde das gleiche mal großzügig von mir behaupten. :D Nur Diana kam nicht so ganz mit unserem Tempo klar, aber das war ihr auch egal. Heute war uns eh egal, wie gut jeder ist. Hauptsache wir bewegten uns draußen. Im Anschluss hatte Peter wieder mal eine verrückte Idee. Es standen ein paar Hürden auf der Leichtathletik-Bahn neben dem Feld rum und da könnte man ja mal Hürdenlauf ausprobieren. Ema erklärte uns, dass das die Frauen-Hürden sind, aber dennoch waren sie nicht ganz ohne. Wir machten ein paar Rennen und auch wenn ich zu Beginn immer sehr gut mithalten konnte, wurde ich dann doch nach den ersten 3 Hürden stets von Daniel, Peter und Ema überholt. Aber schon interessant. Da merkt man erst so richtig, wie schwierig Hürdenlauf wirklich ist. Das schwerste ist nicht, über die Hürden zu springen, sondern die Geschwindigkeit nach dem Sprung nicht zu verlieren. Am Ende gab es ein offizielles Rennen, das Daniel gewann. Wir machten eine sehr kitschige Siegerehrung, bei der Daniel die kenianische Nationalhymne singen musste. Er vergaß den Text aber zwischendurch immer mal wieder. Es war schon spät geworden und wir wollten langsam wieder zurück gehen, aber nicht ohne zuvor kurz in die Umkleideräume der Athleten auf dem Gelände zu schauen. In erster Linie wollte sich Ema dort kostenlose Wasserflaschen holen (wo sich die anderen dann auch bedienten), aber für den Rest war es auch so recht interessant. Wir sahen kurz den modern gestalteten Umkleideraum des Leichtathletik- und Fußballteams, wo jeder seinen eigenen Platz hat und in dem Tafeln mit Rekorden an der Wand hängen. Schon eindrucksvoll! Zurück Richtung Eingangstor ging es dann über die kleine Außentrainingsanlage der Footballer, wo ein paar überdimensional große Reifen lagen. Die werden von den etwas kräftigeren Spielern oft als Trainingsgerät genutzt, indem man sie quasi hoch drückt und wieder umwirft. Wir versuchten uns daran und tatsächlich fiel es mir am leichtesten. Wer hätte das gedacht. Vielleicht habe ich ja doch noch eine Karriere als Offensive oder Defensive Lineman vor mir. :D Wir liefen über einen von der untergehenden Sonne schön beleuchteten Campus wieder zurück zur Sierra Hall. Das war echt schön!

Wie sollte es anders sein: Abends trafen wir uns wieder alle gemeinsam in Reggy's Zimmer. Alle freuten sich, dass Diana wieder da ist und ich glaube sie sich fast am meisten. Wie immer stellte sich die Frage: Was sollen wir essen? Diana und Ema hatten die gleiche, etwas ungewöhnliche Idee: Archie's! Das ist der Burgerladen, in dem ich zu Beginn mal mit Reggy, Diana und Peter vor einem Basketballspiel gegessen hatte. Und Archie's ist keine Fast-Food-Kette, sondern ein eigenständiger Laden. Quasi wie ein Diner. Warum nicht, fragten wir uns? Die tun sich bestimmt auch gerade schwer mit Kunden. Wir bestellten uns alle verschiedene Burger und die Lieferung sollte mit Doordash kommen, einer hier sehr populären Lieferservice-App. Als es soweit war, meldete sich die Fahrerin bei Diana und sagte, dass sie jetzt da wäre. Ich ging mit Daniel runter in die Lobby und vor die Tür, aber niemand war zu sehen. Wir warteten ein wenig, aber niemand kam. Diana kam extra mit runter, da die Fahrerin ihr wohl schon mehrfach versichert hatte, dass sie jetzt da sei. Daraufhin rief Diana bei ihr an und es stellte sich heraus, dass sie auf der anderen Seite des Gebäudes bei der Peavine Hall gewartet hatte. Das hatte wohl das Navi angezeigt. Schön und gut, aber dass man dann nicht auf die Idee kommt, sich mal umzusehen, wenn keiner da ist? Naja, am Ende hatten wir unsere Burger und jeder war damit zufrieden. Man merkt eben doch den Unterschied zwischen einem Ketten-Burger und einem hausgemachten Burger. Aber auch allgemein: Ich liebe einfach diese Burgerkultur der Amerikaner. :) Danach gab es wieder die alltägliche Diskussion, was wir denn schauen sollen. Leider gewann die falsche Fraktion. Kiki, Diana und Reggy wollten schon seit längerer Zeit "Spirit" anschauen, einen Zeichentrickfilm über ein wildes Pferd, das im wilden Westen mit Cowboys und Indianern zu kämpfen hat. Kiki meinte, es gibt so viele Filme, die vom Rücken der Pferde aus erzählt werden, aber keinen vom dem Herz eines Pferdes aus. Es war einer der kitschigsten Filme die ich je gesehen habe. Es klingt genau so, wie man es sich vorstellt. Ein Pferde-Zeichentrickfilm eben. Nach dem Film waren viele schon müde und deswegen ließen wir es dann auch recht bald gut sein.

Zurück auf meinem Zimmer wollte ich dann zwar gleich ins Bett gehen, wurde aber noch von einer energischen Nachricht meines Vaters aufgehalten. Ich soll doch bitte sofort einen Flug buchen! Jetzt, sofort!!! Solch einen Ton kenne ich von ihm gar nicht. Es machte mich also schon ein wenig nervös. Ich hatte im Stadion und auch abends immer mal wieder mit Diana gesprochen und am Ende waren wir uns einig: Wir müssen fliegen. Es geht nicht mehr anders. Beziehungsweise wäre das mit vielen Riskien verbunden. Auch wenn ich immer noch der Meinung war, ich könnte zur Not auch alleine hier in Reno bleiben (dann wäre es wenigstens auch ein Abenteuer für sich), sehe ich ein, dass es für Diana und für die anderen langsam genug wird und es ohne sie nicht das gleiche wäre. Ganz zu schweigen von der Situation, die sich in den USA immer mehr zuspitzt. Und da wir ja am besten zusammen fliegen sollten, richte ich mich auch so ein bisschen nach ihr. Nach der Nachricht meines Vaters surfte ich noch kurz im Netz und suchte nach Flügen und sagte auch Diana Bescheid. Da es aber nichts bringt, spätabends noch überhitzt was zu buchen, verlegten wir das auf morgen und verabredeten uns für morgen Vormittag in Dianas Zimmer. Und dann konnte ich mich endlich hinlegen. Wenn auch mit vielen Gedanken, die durch meinen Kopf kreisen.

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Musikempfehlung des Tages: Red Hot Chili Peppers - Under The Bridge