Berichte von 04/2020

29April
2020

7 Dinge, die ich im Auslandssemester über mich gelernt habe

Nachdem ich meinen letzten Eintrag fertiggestellt hatte - der übrigens mit Begeisterung aufgenommen wurde (danke Mama) - habe ich festgestellt, dass ich recht allgemein über die Erfahrungen in einem Auslandssemester geschrieben habe. Ein paar Dinge habe ich komplett ausgelassen. Die, die mich selbst betreffen. Ich möchte also nun auf genau das nochmals genauer eingehen und im gleichen Format ein paar Dinge ansprechen, die ich persönlich über mich gelernt habe. Und falls es hier Leser gibt, die mich nicht wirklich kennen: Keine Sorge, ich habe das Gefühl, dass man das auch gut auf allgemeine Erfahrungen ausdehnen kann. Was habe ich also gelernt?

1. Ich bin extrovertierter als ich dachte

Wer mich kennt weiß, dass ich eigentlich ziemlich introvertiert und ruhig bin. Damit identifiziere ich mich auch gerne. Ein großes Missverständnis ist übrigens, dass Introvertiertheit gleich Schüchternheit ist. Das stimmt so aber nicht. Ich brauche lediglich nach sozialer Interaktion ein bisschen Zeit für mich bzw. zum "Wiederaufladen". Naja, dachte ich zumindest. In Reno hatte ich genau diese Zeit zum Wiederaufladen nicht, ich war ja selbst nachts immer mit mindestens einer Person im gleichen Zimmer. Ich dachte im Vornherein, dass mich das total stressen würde. Tat es dann aber nicht. Ich kam erstaunlich gut damit zurecht. Mehr noch, ich wollte mich sogar mit Leuten treffen, hatte am Wochenende immer Lust was zu unternehmen und habe mich gefreut, wenn Leute mich angesprochen haben. Ich habe lieber mit Freunden in der Mensa gegessen oder Hausaufgaben gemacht, als alleine. Allgemein habe ich mich stets gefreut unter Menschen zu sein. Und das ist tatsächlich vorher ungewöhnlich für mich gewesen. Gut, ich muss dazu sagen, dass der Satz ja nur heißt "extrovertierter als ich dachte" und nicht extrovertiert. Ich bin nachwievor auf der ruhigen Seite des Spektrums, aber ich habe mir die Auszeiten wohl anders gesucht, z.B. wenn ich mal für 2 Stunden alleine in der Bibliothek saß oder wenn ich morgens alleine ins Fitnesscenter gegangen bin. Aber ich habe eben auch gesehen, dass ich, wenn die richtigen Leute und die richtige Umgebung vorhanden sind, durchaus kein Problem hab, dauernd unter Leuten zu sein. Es gefällt mir anscheinend sogar! Ich habe mich sogar bei dem Gedanken ertappt, meine Reisepläne zu ändern, um mehr mit anderen Leuten verbringen zu können. Fast ein bisschen gruselig. :D

2. Ich bin sportlicher bzw. sportbegeisterter als ich dachte

Ich hab schon immer gerne Sport gemacht und Sport geschaut. Bisher war das in etwa immer ein bis zweimal in der Woche entweder Tennis, Floorball oder Badminton. Und auch geschaut hab ich immer viel, sei es Tennis, American Football oder Olympia. Aber in Reno habe ich erst gemerkt, wie cool ich das Ganze wirklich finde! Ich bin in den meisten Wochen 5 mal pro Woche ins Fitnessstudio gegangen und hab dann noch 1-2 mal pro Woche Tennis gespielt. Einfach weil ich jeden Tag Lust drauf hatte. Darüber hinaus bin ich Skifahren gewesen, Bouldern gegangen und habe in den letzten Tagen noch mit den anderen Leichtathletik gemacht und Fußball gespielt. Gerade die ersten zwei dieser Sachen hätte ich in Deutschland wohl nie einfach mal so ausprobiert. Hier habe ich es aber gemacht und es hat Spaß gemacht. Ebenso bin ich immer gerne zu Basketballspielen gegangen und hätte mir auch gerne Baseball angeschaut. Im Nachhinein würde ich fast sagen, dass mir das alles mit am meisten fehlt. Sport treiben und Sport anschauen. Ich bin lustigerweise in keiner Sportart so richtig gut (ja, ich weiß, Tennis, aber selbst da bin ich ja aus der Übung) und würde mich auch nicht als sportlichen Typen bezeichnen, daher finde ich es auch auf irgendeiner Weise sonderbar, aber ich habe gesehen, dass Sport einen großen Mehrwert für den Alltag bietet und es einfach Spaß macht, aktiv zu sein. Und naja, vielleicht half dabei auch der Fakt, dass ich nun drei Hochklasse-Athleten zu meinen Freunden zählen kann. :D

3. Ich bin amerikanischer als ich dachte

Oh ja, sogar amerikanischer als die meisten anderen Internationals, die ich kennengelernt habe. Während andere sich nach besserem und gesunderem Essen sehnten, das Uni-System in den USA verteufelten und die aufgesetzte Nettigkeit der Amerikaner nicht mochten, fand ich gerade das cool! Ich stehe einfach auf fettige Chicken Wings mit Pommes, den klassischen Burger oder vollkommen unauthentisches asiatisches oder italienisches Essen. Gerne jeden Tag! Ich finde den Kult um Sport, das College-System und den niedrigen Anspruch in den Klassen super! Ich liebe es, dass quasi jeder dich erstmal nett anlächelt und dir weiterhelfen möchte, auch wenn das aufgesetzt ist. Ich finde sogar den ganzen Kult um das Auto und die riesigen Shoppingcenter cool, auch wenn wir damit ein bisschen Probleme hatten. Und wow, Countrymusik ist schon echt mega! Versteht mich nicht falsch, es gibt vieles (und das sieht man vor allem aktuell wieder in den Medien), was ich an den USA nicht mag. Das Land hat viele Probleme - viel mehr als andere Länder sogar - die endlich mal angegangen werden sollten. Aber die Atmosphäre, die aus dem allgemeinen Spirit der Amerikaner entsteht (Land of the Free, unbegrenzte Möglichkeiten, usw.) fand ich einfach durchweg anregend. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass ich mich in vielen Aspekten mit der Lebensweise besser identifizieren kann als mit der deutschen.

4. Ich bin unmoralischer als ich dachte

Klingt erstmal hart, aber ich meine hiermit in erster Linie Dinge, auf die ich in Deutschland stets geachtet habe, die mir aber in den USA einfach ein bisschen mehr egal waren. Da wäre zum Beispiel Umweltschutz: Es war mir erstaunlich egal ob wir jetzt laufen oder wir uns einen Uber rufen. Fliegen? Klar, immer her damit und bitte schön günstig! Müll? Ist zwar doof, aber wenn die hier eben so verschwenderisch sind. Ernährung? Ja, man soll weniger Fleisch essen und es ist hier auch bestimmt nicht von hoher Qualität, aber es schmeckt halt nun mal gut und wenn ich dazu bitte noch einen Maxi-Cup Dr. Pepper haben könnte, wäre das super. Ich hätte gerne Plastikgabeln, brauche aber nur maximal 5? Na gut, wenn der 36er Pack der kleinste ist, dann kaufe ich den halt. Heute zum fünften Mal Essen online bestellen? Klar, das Geld hab ich ja. Bitte, bedenkt auch hier wieder: Mir sind alle angesprochenen Dinge nach wie vor wichtig und ich finde, wir sollten alle von dieser Art Denken wegkommen. Die Amerikaner haben allgemein ein großes Problem mit Nachhaltigkeit, mit Ernährung und mit sozialer Ungerechtigkeit. Und ich kämpfe sehr dafür, dass das Bewusstsein für diese Dinge besser wird und auch dass aktiv etwas dagegen getan wird. Aber offenbar ist mir vieles dieser Dinge am Ende doch nicht so wichtig, wie ich es mir immer einrede. Zumindest wenn es drauf ankommt. Mal sehen, was ich aus dieser Erkenntnis machen werde.

5. Ich bin weniger karriereinteressiert als ich dachte

Uni bzw. die eigene Karriere war schon immer nicht die Top-Priorität für mich. Ich bin immer irgendwie so durchgerutscht und das meistens sogar ziemlich gut. Auch in Reno hat sich das bestätigt. Die Klassen waren oft das uninteressanteste am Tag und meine Noten sind aktuell trotzdem alle auf einer glatten Eins (entschuldigung, wenn sich das angeberisch anhört). Mehr noch, Uni war mir sogar so unwichtig, dass ich den Besuch bei dem Geodäsie-Professor, den ich eigentlich treffen wollte, so weit hinausgezögert habe, dass es dann nicht mehr möglich war. Ebenfalls habe ich Projektideen und alles weitere immer so weit hinausgezögert wie es geht. Ein bisschen war es so schon immer, aber bisher drehte sich trotzdem alles um Uni in meinem Alltag. In Reno hatte ich nun jeden Tag so viele andere Aktivitäten, die ich spannender fand, dass der eigentliche Grund warum ich dort bin (das Studium) immer mehr in den Hintergund gerückt ist. Versteht mich auch hier nicht falsch: Es gab auch einige sehr spannende Vorlesungen und ich finde die Geowissenschaften trotzdem noch total interessant und denke, das ist genau mein Ding. Aber ich lege die Priorität eben im Gegensatz zu anderen Leuten eher auf eine coole Zeit außerhalb des Klassenraums und spannende Erlebnisse. Vielleicht muss ich einfach noch den Job oder den Karriereweg finden, für den ich so sehr brenne, dass es mir nichts ausmacht, wenn dafür mal ein bisschen Freizeit draufgeht. Quasi der Job, der sich für mich wie Freizeit anfühlt. Ich wette, der ist irgendwo da draußen. :)

6. Ich bin kitschiger / narzisstischer als ich dachte

Okay, ich weiß echt nicht wie ich diesen Punkt sonst ausdrücken soll. Ich habe nun ewig lange nach richtigen Adjektiven gesucht, aber kein wirklich 100% passendes gefunden. Daher müssen die beiden eben herhalten. Was ich meine ist, dass ich entdeckt habe, dass ich eine Fotosession mit wilden Posen doch ganz cool finde. Dass ich manchmal die Zelebrierung eines trivialen Ereignisses echt toll finde. Beispiel: Trip nach San Francisco. Ja, nur her mit den kitschigen Fotos an der Golden Gate Bridge, den lustigen Zusammenschnitten mit Musik und den Spezialitäten, die man unbedingt probieren muss. Schon cool, das irgendwie zu zelebrieren. Außerdem habe ich eine gewisse Liebe für Instagram entdeckt. Meine deutschen Freunde müssen sich gewundert haben, aber ich habe festgestellt, dass ich es liebe, fast täglich irgendwas zu posten, sei es was ich tue oder was ich erlebe oder auch nur ein lustiges Meme oder ähnliches. Warum nicht mehr Dinge aus dem Leben teilen? Sogar dieser Blog ist ja eigentlich nur eine Zurschaustellung meiner ach so tollen Erlebnisse, die bitte alle begeistert lesen sollen. So habe ich vorher nicht unbedingt gedacht, aber in Amerika ist diese Selbstinszenierung etwas tiefer in der Kultur verwurzelt. Scheinbar ist das ein bisschen auf mich übergesprungen. Ich weiß nicht, was das jetzt psychologisch über mich aussagt (ich bin mir sicher, da könnte man nämlich was draus ziehen), aber das ist mir eigentlich auch egal. :D Aber auch hier gilt wieder wie bei jedem anderen Punkt: Mehr als vorher heißt nicht zwingend, dass ich es bin. Ihr kennt mich ja gut genug um zu wissen, dass ich jetzt kein Influencer werde. :D

7. Ich kann schlechter Englisch als ich dachte

Jap, ich hatte es schon vermutet, aber jetzt wurde es mir direkt vor Augen geführt, wie viel Nachholbedarf ich noch habe. Ich habe zwar ein TOEFL-Ergebnis von 118 von 120 Punkten (das ist tatsächlich sehr sehr gut), aber der Alltag ist immer noch die schwerste Prüfung. Auch hier wieder: Ich bin bestimmt sehr gut und die meisten Deutschen könnten meine Schwächen nicht erkennen, aber in Amerika wird alles gnadenlos offengelegt. Mein größtes Problem ist, dass mir Wörter oft nicht einfallen, wenn ich sie brauche. Außerdem verwende ich immer noch sehr simples Englisch. Ich erinnere mich an so einige Gespräche zurück, die ich als peinlich bezeichnen würde. Zum Beispiel das Gespräch über meine Projektidee mit Scott Kelley. Ich hab vor mich hin gestottert, als gäbe es kein Morgen und konnte meine ganzen Ideen gar nicht so richtig darlegen. Oder als ich mich in der Numerical Modeling-Klasse vorstellen musste. Ich wusste, was ich sagen will, aber mir fielen die englischen Wörter nicht ein und es entstand mehrfach eine beängstigende Stille. Außerdem gibt es in manchen wissenschaftlichen aber auch normalen Zeitungs-Texten immer noch Wörter, die ich einfach nicht kenne. Vielleicht übertreibe ich hier auch ein wenig, da ich ja nicht perfekt Englisch können muss. Aber ich hatte nach dem so guten TOEFL-Test eben höhere Ansprüche an mich. Ich habe das Gefühl, dass ich gut genug bin, um problemlos in einem englischsprachigen Land leben zu können, ich aber trotzdem noch nicht das höchste Level erreicht habe. Und da kann man dann Gespräche (vor allem mit Muttersprachlern) auf ganz anderen Ebenen führen. Übrigens fand ich es auch interessant zu hören, dass man meinen Akzent wohl sehr wohl raushört. Vielleicht nicht stark und Amerikaner können ihn auch nicht immer verorten, aber er ist da. Für mich, der stets von sich behauptet, Aussprache gut nachahmen zu können, war das zumindest mal eine Offenbarung. :D

So, mal wieder etwas ausgekotzt, mal wieder ein wenig persönliches preisgegeben und mal wieder etwas über mich und das Leben philosophiert. Aber warum auch nicht, hab ja neben Hausaufgaben eh nicht viel zu tun, da kann man schon mal den Blog mit Inhalt füllen. :) Für mich geht es jetzt in die Endphase des Semestes and der UNR. Mal sehen, wie ich mich schlage und ob ich meinen guten Notenschnitt halten kann. Zum Glück wurden einige Prüfungsleistungen durch die aktuelle Online-Situation stark vereinfacht. War auf jeden Fall auch unimäßig ein verrücktes Semester. :D Bis demnächst!

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Musikempfehlung des Tages: Laleh - Det Kommer Bli Bra

25April
2020

7 Dinge, die man im Auslandssemester lernt

Da breche ich nun mit der Tradition, immer wöchentlich, einen Eintrag zu verfassen. Hat ja fast einen Monat gehalten. Aber ich hatte eine Idee, die mir nicht aus dem Kopf ging und die ich unbedingt in Worte fassen musste. Wenn ich so über die Zeit in Reno reflektiere, wird mir immer mehr klar, welche Erfahrungen ich nun eigentlich gemacht habe und ich vergleiche sie mit den Erfahrungen in Deutschland. Man lernt einige Dinge, die einem vorher vielleicht nicht so bewusst waren, mit denen man nicht gerechnet hätte oder die einen einfach bereichern. Nach dem Vorbild der Clickbait-Artikel, die man in hippen Online-Magazinen ja so oft findet, hab ich mal 7 dieser Dinge in einer Liste zusammengefasst.

1. Alle Leute sind im Grunde gleich

Ja, Kulturen sind verschieden. In Indien sind die Hygienestandards nicht so hoch. In Sambia leben die meisten Leute in Blechhütten. In Mexiko muss man in geschlossenen Wohngegenden leben, wenn man viel Geld verdient. Das ist alles richtig. Aber im Kern unterscheiden sich die Leute, die in diesen Kulturen leben, nicht von uns. Ich habe in Reno innerhalb von ein paar Wochen unzählige Leute aus aller Welt kennengelernt und mich ohne Probleme mit ihnen angefreundet. Das funktioniert, weil am Ende jeder hier ist um zu lernen und jeder will die gleichen Dinge unternehmen, isst die gleichen Dinge, will ab und zu Sport machen und möchte Leute kennenlernen und sich mit ihnen austauschen. Die eigene Kultur ist dabei nur der "Hintergrund" von dem man kommt. Die Deutschen mögen gerne spritziges Wasser, während man in Südkorea immer das letzte Stück auf dem Teller übrig lässt. In den USA ist der 16. und der 21. Geburtstag was total besonderes, während es in Kenia normal ist, wenn jemand 10 Kinder hat. Ja, es gibt diese Unterschiede, aber sie beziehen sich nicht auf essentielle, wichtige Dinge. Und diese essentiellen Dinge sind dann eben doch im Grund genommen die selben für jeden. Es verändert die eigene Perspektive. Wenn ich nun im Fernsehen Berichte aus Chile oder den Philippinen sehe, werde ich an Joaquin und Reggy denken und einen anderen Blick auf die Geschehnisse in anderen Ländern haben. Durch dieses Auslandssemester habe ich (gute) Freunde aus unzähligen Ländern gewonnen. Wir sind uns ähnlicher als man glaubt. :)

2. Man kann im Prinzip mit fast jedem auskommen

Auch das habe ich festgestellt. Wenn man in einer unbekannten Umgebung ankommt und niemanden kennt, muss man zwangsläufig mit Leuten reden. Durch die außergewöhnlichen Umstände, habe ich in Reno öfters Leute angesprochen. Und ich muss sagen, fast alle Gespräche waren nett und konstruktiv. Auch im Alltag: Ich hatte zwei Mitbewohner, die ich jeden Tag beim Aufstehen und beim Zu-Bett-Gehen gesehen habe. Daran musste ich mich auch erstmal anpassen. Aber es funktioniert. Wenn man seine eigenen Ansprüche etwas herunterschraubt und offen für neues ist (was man zwangsläufig manchmal tun muss, um sich in einer neuen Umgeung zurechtzufinden), kann man wirklich mit jedem auskommen. Denn im Endeffekt will dir keiner was Böses. Gut, es gibt immer ein paar Leute, mit denen man einfach nicht "klickt". Aber das ist normal. Es geht hauptsächlich um Offenheit und Toleranz. Davon könnten viele Leute ein bisschen mehr gebrauchen. Und manchmal braucht es eben einen längeren Aufenthalt im Ausland oder aber auch nur einen Umzug oder ähnliches, um aus seinem engen Kreis rauszukommen und auch mal Leute kennenzulernen, mit denen man sonst nie reden würde.

3. Jedes Problem ist irgendwie lösbar

Kein Auto und kein ÖPNV? Es gibt Uber und Taxis. Die Mathematik in dieser Hausaufgabe ist total schwer? Geh zum Math Center, dort wird dir geholfen. Eine Pandemie kommt auf dich zu und du bist nicht vorbereitet? Informiere dich und ziehe notfalls die Notbremse. Man wird im Auslandssemester mit vielen Problemen konfrontiert, um die man sich vorher nie kümmern musste. Teilweise geht es dabei um essentielle Dinge wie Geld, soziale Kontakte oder Transport. Und auch wenn man in Deutschland schon recht selbständig ist, befindet man sich nun in einem anderen Land und kann manche Dinge nicht genau so machen, wie man es gewohnt ist. Aber tatsächlich stellt sich heraus, dass es auch wo anders nicht schwer ist, diese neuen Probleme zu lösen. Nur eben auf eine andere Weise. Und zur Not gibt es immer genügend Anlaufstellen, die einem weiterhelfen.

4. Um ein Land zu verstehen, muss man dort gelebt haben

Viele Leute, die ich in Deutschland kenne, haben ein Bild von den USA, das aus den Medien stammt. Die ersten Assoziationen beinhalten meistens Waffen, fette Menschen, Rassismus, Sport, große Autos, BBQ, New York, Sonnenstrände in Kalifornien oder Florida, Trump, Polizei oder was man eben aus Filmen so mitbekommt. Es ist vollkommen okay und verständlich, dass das so ist. Wie soll man auch sonst etwas über ein Land erfahren, wenn nicht über die Medien. Aber ich würde sogar sagen, dass es auch nicht ausreicht, als Tourist in die USA zu fahren. Eine Urlaubsreise gestaltet man selbst und man bekommt das alltägliche Leben nur bedingt mit. Ich habe einiges in meiner Zeit in Reno gelernt, dass ich vorher noch nicht so auf dem Schirm hatte. Man lernt eben den normalen Amerikaner, seinen normalen Tag und seine wirkliche Kultur kennen. Und auch deren Vielfalt. Wie oft muss ich mir anhören, dass die Amerikaner ja (alle) doof seien, weil sie Trump gewählt haben. Wie oft musste ich mir Witze anhören, dass ich aufpassen soll, nicht erschossen zu werden. Und wie oft musste ich mir anhören, dass ich nicht in zwielichtige Gegenden gehen soll. Jetzt wo ich dort gelebt habe, alles mal hautnah miterlebt habe und mit vielen Leuten aus unterschiedlichen Hintergründen gesprochen habe, habe ich einen anderen Blick auf die Dinge. Und sie sind nicht so schwarz und weiß, wie man sie immer wahrnimmt. Wie gesagt, keine Vorwürfe, aber ich finde, einige Leute sollten sich bewusst sein, dass ihr Bild eines Landes eben nur ein Bild ist und nicht die Realität.

5. Man sollte stets im Hier und Jetzt leben

Oh ja, gerade jetzt wo ich nur 2,5 Monate hatte statt 5, weiß ich diesen Punkt noch viel mehr zu schätzen. Wenn man einmal eine begrenzte Zeit irgendwo anders hat (kann auch nur ein Urlaub sein), merkt man, wie viel man an einem Tag schaffen kann und wie gut man den Tag eigentlich nutzen sollte. Denn die Zeit ist ja begrenzt. In dieser Zeit ist es nicht wichtig, was in Zukunft sein wird oder was in der Vergangenheit war. Nur das Hier und Jetzt zählt, denn nur hier und jetzt hat man die Chance, etwas neues zu erleben und die Zeit zu nutzen. Das gleiche Gefühl hat man nicht zuhause (ich zumindest nicht). Und wenn ich ehrlich bin, tue ich mich damit immer noch oft schwer, da ich trotzdem noch zu oft nachdenke und weniger mache. Aber genau da hat mir das Auslandssemester geholfen. Nicht nur, weil es meine allgemeine Sichtweise verändert hat, sondern auch weil ich Leute um mich rum hatte, die mich ab und zu mitgezogen haben und mir gezeigt haben, was alles möglich ist. Morgen Skifahren gehen? Warum eigentlich nicht! Klettern ausprobieren? Kann man durchaus mal machen! Den coolen Fast-Food-Laden um die Ecke ausprobieren? Warum nicht sofort! Mir würden bestimmt noch viele Beispiele einfallen. Manchmal habe ich eben einen Schubser von anderen Leuten gebraucht, um zu sehen, was alles möglich ist, wenn man die Dinge einfach macht. Und zu großer Letzt ist ja die Corona-Krise der größte Lehrer in dieser Hinsicht. Ich bereue es, dass ich einige Dinge nicht sofort gemacht habe, weil ich mir gesagt habe, dass das in Zukunft auch noch geht. Aber genauso sehe ich nun, dass es gut war, dass wir dies und das gleich gemacht haben und nicht noch damit gewartet haben. Klar, manchmal ist das auch ein bisschen optimistisch formuliert (manchmal klappen Dinge einfach nicht, egal wie man es dreht), aber es geht mir hier auch eher um die allgemeine Einstellung. Wenn man merkt, dass man nicht unbegrenzt Zeit hat, blickt man anders auf seinen Alltag.

6. Die Welt ist groß und hat viel zu bieten

Wenn die USA in Nevada und Kalifornien schon so viele schöne, interessante und spannende Seiten zu bieten haben, wie viel gibt es dann noch zu entdecken? Ich war nun schon in vielen Ländern, aber das war hauptsächlich Europa und sonst nur die USA. Da stellt sich mir wirklich die Frage, wie viel es da draußen noch gibt, was ich noch entdecken kann. Reisen ist einfach immer anregend in irgendeiner Form. Man lernt immer irgendwie dazu und man kommt immer irgendwie in Kontakt mit neuen Leuten. Und auch so kleine Dinge wie lokale Gerichte, lokaler öffentlicher Nahverkehr oder lokaler Sport. Es gibt so vieles auf dieser Welt. Als Tourist bekommt man davon natürlich auch schon sehr viel mit. Nun wo ich aber wirklich im Ausland gelebt habe, sehe ich das Ganze noch von einer anderen Seite. Ich sehe Orte der Welt nun auch von der Seite der lokalen Bevölkerung. Überall wohnen Leute, genauso wie ich es in Reno getan habe. Und deren Alltag zu erleben finde ich einen spannenden Gedanken. Aber selbst wenn es nur als Tourist ist, werde ich mich nie über eine Reise in eine neue Gegend beklagen. :)

7. Erfahrungen sind mehr wert als man denkt

Woran erinnere ich mich am Ende? Nicht an das Wissen, das ich in Climatology oder GIS I erlangt habe und auch nicht an das Geld, das ich für die ganzen Nevada-Shirts usw. ausgegeben habe. Ich erinnere mich an den verrückten Abend in The Loving Cup, an die College-Basketballspiele und an den letzten Abend, an dem ich mit einem Mietauto zu Chili's gefahren bin. Jeder weiß zwar, dass Erlebnisse wichtiger sind als z.B. materielle Dinge. Aber wann lebt man das schon richtig? Am Ende kauft man sich dann doch immer wieder irgendwelche Sachen, surft im Internet nach interessanten Inhalten oder läuft immer die gleiche Runde um den Block. Neue Erlebnisse, einmalige Erfahrungen mit anderen und auch nur kleine lustige Anekdoten sind so viel mehr wert. Und in einem solchen Auslandssemester hat man quasi Tag für Tag die Möglichkeit, diese Erinnerungen zu formen. Auch wenn das nun etwas schwerer ist, da ich wieder zuhause bin (und eh gerade nicht rauskann), will ich diesen Spirit nun noch mehr in den Mittelpunkt stellen. Wenn ich das nächste Mal eine wichtige (oder auch eine unwichtige) Entscheidung treffen muss, entscheide ich mich für das, was mich am Ende weiterbringt und was mir tolle Erlebnisse verschafft. Und auch negative Erfahrungen sind Erfahrungen. Auch Rückschläge oder unschöne Erlebnisse bringen einen weiter. Auch hier wären wir dann wieder dabei: Manchmal muss man es einfach machen!

Mir ist beim Schreiben aufgefallen, dass viele dieser Punkte ineinander greifen und sich zum Teil auch überlappen. Das zeigt, dass eine Erfahrung manchmal eine andere mit sich bringt. Ich kann am Ende dieses (viel zu kurzen) Auslandssemesters sagen, dass es mir vieles gebracht hat, was ich hier in Deutschland nicht in der Form hätte erleben können. Und ich glaube dieses "Mal-raus-kommen" ist die Hauptsache bei dem Ganzen. Es muss nicht unbedingt ein Auslandssemester sein, aber einfach mal aus seinem Alltag ausbrechen und einen anderen Alltag irgendwo anders leben - das ist es eigentlich schon. Es kann einen eigentlich nur weiterbringen.

So, jetzt hab ich mich mal wieder über "deepe" Themen ausgelassen. Mir war einfach danach und dann hab ich einfach drauf losgeschrieben. Lieber sofort machen, oder? :) Ich hoffe, man kann so ein bisschen verstehen, was ich mit dem Eintrag rüberbringen wollte. Ein richtiger Journalist hätte das bestimmt viel strukturierter formuliert. Aber da ich keiner bin, ist mir das dann doch zu einem gewissen Punkt egal. :D Bis bald!

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Musikempfehlung des Tages: H.1 - Circle

22April
2020

Weekly Update

Es scheint fast so als würde ich nunmehr immer alle 7 Tage einen Eintrag hier verfassen. Ehrlich gesagt ist das mehr Zufall als Absicht, aber es sieht trotzdem ganz nett aus. Ich kann aber nicht sagen, dass das jetzt so bleiben wird. Man weiß nie wann die Inspiration zuschlägt. :D

Dieser Eintrag wird ein bisschen kürzer als die vorigen. Man muss ja auch nicht immer einen Roman schreiben. Außerdem habe ich aktuell doch recht viel Uni-Zeugs zu tun. Ich kann also nicht behaupten, dass nur weil ich nicht mehr in Reno bin und alle Klassen online sind, der Workload geringer wird. Wobei, wenn ich genau darüber nachdenke, liegt es wohl eher an den unterschiedlichen Lernatmosphären. Ich habe sowohl mit Freunden aus Reno als auch aus Deutschland gesprochen und wir alle waren uns einig: Die Motivation fehlt. Warum soll ich die Hausaufgabe jetzt machen, wenn ich doch in 3 Stunden auch noch Zeit habe? Oder in 2 Tagen? Sehen ja eh alle Tage gleich aus. Im normalen Uni-Leben hätte ich Struktur: ich gehe zu ein paar Vorlesungen, zwischendurch essen, dann ist mal dort eine Veranstaltung, dann gehe ich ins Fitnesscenter, dann treffe ich mich mit Freunden... und irgendwo dazwischen muss ich Hausaufgaben machen, was in dem Fall leichter geht, weil ich festgelegte Zeiten habe in denen ich mich um Uni kümmern muss und welche in denen ich was anderes mache. Noch dazu kommt die Umgebung. Auf dem Campus kann ich mich in die Bibliothek setzen oder in quasi jedes andere Gebäude und hätte andere Leute um mich rum, die auch lernen. Das gleiche im Konferenzraum. Wenn andere lernen, spornt das einen selbst an. Das alles fehlt zuhause und daher habe ich auch den Eindruck, dass mein Interesse am Uni-Stoff ein wenig leidet. Aber noch habe ich alle Hausaufgaben ordentlich hinbekommen und hab auch immer gutes Feedback bekommen. Und das wird hoffentlich auch so weitergehen. Nur Spaß macht es eben weniger und ich muss mich manchmal ein bisschen dazu zwingen. Ich versuche aktuell, mir eine bestimmte Zeit für Uni einzuplanen und nebenbei aber auch Zeit explizit nicht für Uni zu planen. Manchmal funktioniert es, manchmal könnte es etwas besser sein, aber es ist ein Anfang! :)

Was gibt es sonst noch zu erzählen. Vielleicht, dass ich das Fahrrad fahren wieder für mich entdeckt habe und jetzt regelmäßig eine kleine Runde in der Nachbarschaft drehe. Dabei komme ich auch immer wieder an einem verlassenen Sportplatz in der Nähe vorbei, wo ich nun schon zweimal aus Nostalgiegründen angehalten habe und eine Runde gelaufen bin. Sogar Weitsprung ist hier möglich, auch wenn die Grube sehr ungleichmäßig verteilt und ein wenig zugewuchert ist. Andere Disziplinen sind unmöglich. Aber immerhin, es macht Spaß, sich ein bisschen zu bewegen und irgendwie hab ich Leichtathletik als Sport in den letzten Monaten lieben gelernt. Was man eben so erlebt und wen man kennelernt. Kann mir jedoch nicht vorstellen, dass das passiert wäre wenn wir Leute aus dem Schwimm-Team oder dem Fußball-Team kennengelernt hätten. Soweit reicht meine Liebe für Sport dann doch nicht. :D

Außerdem habe ich gestern an einem virtuellen Meeting des OISS teilgenommen. Das "Student Success Pizza"-Treffen findet normalerweise einmal im Monat statt und internationale Studenten können kommen, kostenlose Pizza essen und über ihre Erlebnisse im Studium sprechen. Es sind auch immer zwei Leute von den Counseling Services dabei, da auch persönliche Probleme angesprochen werden können. Als diese Treffen noch vor Ort stattgefunden hatten, wollte ich eigentlich hingehen, aber man musste sich immer voranmelden und da mittags auch immer meine Freunde in The Den gegessen haben, habe ich mich am Ende doch immer für sie entschieden. Nun fand das Ganze allerdings virtuell statt und auch hier ergriff mich die Nostalgie und ich meldete mich an. Am Ende waren 14 Leute Teil der Zoom-Konferenz. 7 Mitarbeiter des OISS, 2 Leute vom Counseling Center und 5 internationale Studierende/Mitarbeiter. Es war dennoch schön, viele Leute wiederzusehen! Unter den Studenten war sogar P.B., einer der nepalesischen Jungs, mit denen wir das letzte Mal nach dem Eislaufen etwas unternommen hatten. Eigentlich hätte ich gerne so viel mehr mit ihnen gemacht, aber naja, ihr wisst ja was dann kam. P.B. freute sich auch, mich wiederzusehen und die Leute vom OISS, die mich kannten, auch. Ich erzählte ein wenig von meiner Situation und wie es mir so geht. War ziemlich erfrischend. Ich habe dann auch noch ein paar andere Geschichten gehört, z.B. von der Chinesin, die ihre Steuern falsch ausgefüllt hat, von einer Kolumbianerin(?), deren Mitbewohnerin ihren Job verloren hat und nun die Miete nicht mehr zahlen kann und von einem griechischen Dozenten, der erst vor kurzem mit der Familie nach Reno gezogen ist und nun nicht weiß, wie es mit den ganzen Visa-Bestimmungen für ihn und die Familie weitergehen soll. Schon interessant, das alles mal zu hören. Es war auf jeden Fall ein nettes Gespräch durch das man sich wieder mal mit der UNR connecten konnte und ich würde mich freuen, wenn es sowas gegen Ende des Semesters noch einmal geben würde.

Und so schnell sind wir wieder bei mehreren Absätzen. War wohl doch nicht so kurz das Ganze. :D Gab auch heute keinen roten Faden, ich hab einfach über das geschrieben, was mir gerade eingefallen ist. Ich melde mich bald wieder! Ich sage ja immer wieder, dass die unvollständigen Blogeinträge langsam aber sicher geupdated werden, aber auch dieser Plan wird leider immer öfters Opfer meiner täglichen Prokrastination. Aber keine Sorge, auch das wird alles noch kommen und ich werde euch auch in den neueren Einträgen immer mal wieder Updates dazu geben. Macht es gut! :)

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Musikempfehlung des Tages: JAYLERR & PARIS - ดี๊ดี (UNEXPECTED)

15April
2020

Follow-up mit der Sierra-Gang

Wie ihr seht, werden die Blogeinträge weniger. Eigentlich ist das etwas komisch, da ich jetzt ja mehr Zeit haben sollte als in Reno. Es liegt wohl an der Motivation. In Reno habe ich jeden Tag etwas neues erlebt, das ich dann auch gleich mit der Welt teilen wollte. Hier passiert quasi jeden Tag das gleiche: Ich stehe (spät) auf, esse zu Mittag, vertreibe mir den Nachmittag, gehe ab und zu mal raus, trinke nachmittags Tee, esse dann zu Abend und vertreibe mir den Abend meist mit Hausaufgaben, The Office schauen (das geht von hier aus sogar!), Musik hören, auf Reddit rumbrowsen oder ähnliches. So viel passiert da wirklich nicht und da verliert man dann einfach auch ein bisschen die Motivation. Nichtsdestotrotz wird der Blog natürlich weitergeführt und ich werde euch immer wieder regelmäßige Updates liefern. Zusätzlich zu den alten Blogeinträgen, die ich schon längst mal updaten wollte, aber irgendwie immer wieder aufschiebe. Keine Sorge, kommt alles noch. Kann ja auch behaupten, dass das ein bisschen die Spannung aufrechterhält. :D

Ich habe mir heute mal gedacht, ein bisschen auf meine Freunde einzugehen und deren Wege nachdem das Semester so abrupt geendet hat. Auch wenn ihr die Leute nicht kennt, ist es eventuell doch interessant zu sehen, welche Schicksale die anderen Studenten (Amerikaner und Internationals) durch die Corona-Krise erlebt haben. Es zeigt, wie unterschiedliche Länder und unterschiedliche Familien mit dem Thema umgehen und da wir auch noch alle in Kontakt sind, sind sie neben den Vorlesungen der einzige Bezug den ich aktuell zu meiner Zeit in Reno habe. Legen wir also los:

- Diana (Deutschland): Wir sind zusammen zurückgeflogen und haben uns dann in Frankfurt getrennt, da sie in einen anderen Zug steigen musste. Ihre Familie hielt nicht viel von Quarantäne und so ist sie gleich wieder ganz normal zuhause eingezogen. Ich hab ein paar Fotos von Grillabenden und Geocaching-Touren bekommen und sie hat wohl gestern nach knapp 3 Wochen ihren Freund wieder sehen können. Es scheint ihr also gut zu gehen, würde ich sagen. :D Wir sind immer noch gelegentlich dabei, ein paar Dinge wegen verschiedener Rückerstattungen usw. zu klären. Gibt schöneres.

- Peter (Südkorea): Nach einem 31-Stunden-Flug von Reno über Salt Lake City (mit 11 Stunden Layover) über Seattle nach Seoul wurde er am Flughafen auf den Virus getestet, nachdem er eine laufende Nase hatte und daher verdächtig war. Er musste 24h in ein Hotel gehen und erfuhr danach, dass sein Test negativ war (gottseidank!). Seine Familie holte ihn ab in einem Auto, in dem die Rücksitze mit einer großen Plane von den Vordersitzen abgetrennt waren. Sie fuhren ihn gleich zum nächsten Hotel. Ja genau, seine Eltern haben ihm einfach so ein Hotelzimmer gezahlt, wo er erstmal in Quarantäne gehen soll. Er vertreibt sich die Zeit mit den Online-Kursen seiner koreanischen Uni und mit Netflix und Essen bestellen. Stand heute ist er immer noch im Hotel.

- Reggy (Philippinen): Sie ist ja mit uns nach San Francisco geflogen, wo wir uns dann sehr emotional trennen mussten. Es stellte sich heraus, dass ihr Flieger der letzte überhaupt war, der aus den USA in die Philippinen flog. Der Flug war zudem überbucht, sodass sich am Gate wohl unschöne Szenen abspielten. Am Ende wurde einfach abgezählt. Wer vorne in der Reihe stand hat Glück, die Leute am Ende der Schlange konnten nicht mit. Sie stand gottseidank weit vorne in der Reihe und bekam einen Platz. Sie kam gut bei ihrer Familie an und ließ etwa eine Woche später verlauten, dass ihre Eltern mittlerweile coronafrei sind (beide hatten nämlich den Virus). Sie backt vermutlich mehrmals täglich, wie man es auch nicht anders von ihr erwarten würde. Ihr Pandesal (googelt das mal) sieht super lecker aus.

- Joaquin (Chile): Er war ursprünglich der einzige zusammen mit Daniel, der komplett in Reno bleiben wollte. Das änderte sich als Nicolas, sein Zwillingsbruder, sagte, dass er aus Los Angeles zurückfliegen will. Da das aber so schnell nicht möglich war, fuhr Nicolas zu Joaquin nach Reno und die beiden suchten sich ein Zimmer im International House (das ist so eine Art Mietshaus mit vielen WGs, die extra für Internationals gedacht sind). Sie wohnten dort exakt einen Tag, denn es gab wohl spontan einen Flug nach Chile. Seit 2 Wochen sind beide wieder zuhause und langweilen sich in ihrem großen Haus mit Pool, das fast komplett leer ist, da sie es eigentlich verkaufen wollten, aber jetzt ja gerade niemand dran interessiert ist. Noch dazu geht in Chile die Wirtschaft den Bach runter. Ich glaube er wäre lieber noch länger geblieben trotz der Situation.

- Ema (Italien): Sie fand einen der raren Flüge nach Italien - über San Francisco und New York nach Rom. Zusammen mit einer anderen italienischen Athletin mietete sie sich ein Auto um zum Flughafen San Francisco zu fahren. Sie hatten 7 Stunden Aufenthalt in New York, wo niemand sonst im Flughafen zu sehen war, weil der Rom-Flug der einzige Flug überhaupt an dem Morgen war. In Italien wurden sie 2 Stunden lang kontrolliert und Ema wurde dann von ihrer Mutter und ihrer Schwester mit dem Auto abgeholt. Sie wurden zweimal von der Polizei kontrolliert, da drei Leute im Auto ja nicht erlaubt sind. Sie hatten aber wohl eine Sondergenehmigung. Ema musste sofort in häusliche Quarantäne und muss da auch erstmal mindestens bis Ende April bleiben. Sie muss leider oft bis tief in die Nacht aufbleiben, da ihre Kurse zu dieser Zeit stattfinden (ihr Aufbleibe-Rekord ist wohl 8:40 Uhr morgens). Sie vertreibt sich die Zeit ansonsten mit ihrer Schwester, Netflix und dem Traum, endlich wieder weiter rausgehen zu können als in ihren Garten.

- Jiwon (Südkorea): Sie ist zusammen mit Peter zurückgeflogen, wurde aber nicht am Flughafen getestet, sondern musste einfach nur so 14 Tage in Quarantäne. Ihre Eltern haben sie auch tatsächlich gleich wieder aufgenommen und sie macht jetzt ihre Online-Kurse von ihrer koreanischen Uni.

- Kiki (USA): Sie wohnt seitdem natürlich bei ihren Eltern. Ich glaube ihr macht das alles nicht so viel aus, außer das ihre Abschlussfeier nun versaut ist. Sie geht sogar aktuell oft zum Wildwasser-Rafting, wofür sie ja sogar Guide ist. Leider bleiben aktuell die Besucher aus, aber dann geht sie eben alleine oder mit ihrem Vater. Sie hat leider die schlechteste Zoom-Verbindung von uns allen. :D

- Daniel (Kenia): Er ist seiner Aussage treu geblieben, erst am Ende seines Studiums wieder zurück nach Kenia zu gehen. Er wohnt weiterhin in der Sierra Hall und ist nachdem Joaquin zurückgeflogen ist und sein Mitbewohner in ein anderes Zimmer verlegt worden ist, tatsächlich allein. Er geht zweimal am Tag zu The Overlook um sich Essen zu holen, läuft ein bisschen in der Nachbarschaft umher, aber viel mehr läuft außer Uni nicht wirklich. Naja, vielleicht wird sich das bald ändern wegen:

- Aurora (Paraguay): Sie wollte ja unbedingt nach Hause, nachdem ihr Freund auch geflogen war. Er sitzt leider aktuell in einer brasilianischen Grenzstadt fest, da Paraguay alle Grenzen dicht gemacht hat. Ein ähnliches Schicksal hat auch Aurora erleiden müssen. Sie fuhr zunächst mit dem Zug nach San Francisco, nur um festzustellen, dass ihr Flug gecancelt wurde und es keinen Ausweichflug mehr gab. Ganz zufällig hat sie in der Nähe von San Francisco eine Gastfamilie bei der sie vor einigen Jahren einige Zeit gelebt hatte. Die haben sie kurzerhand aufgenommen und seitdem wohnt sie dort. Gestern ließ sie allerdings verlauten, dass sie der Familie auch nicht komplett auf der Tasche liegen will und da ihr der Housing Service der UNR wohl wieder ein Zimmer angeboten hat, will sie nun in den nächsten Tagen wieder zurück nach Reno in die Sierra Hall ziehen. Ich bin gespannt. Auf jeden Fall hat Daniel dann bald wieder Gesellschaft. :)

- Brooke (USA): Sie wohnt seit Spring Break bei ihrer Familie in der Nähe von Sacramento. Leider konnten wir uns nie richtig von ihr verabschieden. Sie konnte bisher auch noch nicht offiziell aus der Sierra Hall ausziehen, da ihre Eltern sie nicht zurückfahren lassen. Das wäre an sich nicht schlimm, aber ihr Fisch ist noch dort und jetzt wo Reggy weg ist, füttert den niemand mehr. Neulich hatte sie Daniel gebeten, etwas zu unternehmen. Ich muss mal nachfragen, was draus geworden ist.

- Madi (USA): Sie wohnt auch bei ihrer Familie in der Bay Area und kümmert sich aktuell gut um unsere Fische, wofür ich ihr total dankbar bin. Sie will in Zukunft immer mal wieder ein paar Bilder schicken. Ich bin gespannt!

- Oli (Spanien): Nachdem sie ja recht spontan aus Reno abgeflogen war, kam sie gut in Spanien an und musste dort natürlich auch gleich in Quarantäne. Sie vertreibt sich die Zeit damit, lustige Videos zu schneiden und auf Instagram zu posten.

Natürlich gibt es noch viel mehr Leute, deren Story ich hier erzählen könnte, z.B. von Sarmat (weilt in New York), Thiha (noch in Reno), Momo (wieder in Japan), etc., aber ich hab es mal bei den Leuten belassen, deren Namen ihr öfters im Blog gelesen habt. Es ist schon komisch, jetzt so über die Leute zu schreiben, wenn man doch eigentlich im April so viele andere schöne Dinge zusammen in Reno vorhatte. Aber so ist es nun mal, das haben wir ja schon ausreichend durchgekaut. Ich finde es dennoch interessant zu sehen, wie unterschiedlich jeder diese Krise erlebt. Und ich bin gespannt, Ende dieser Woche wieder was von ihnen zu hören, denn da wollen wir wieder mal einen Videochat machen. Hoffentlich klappt das und wir können uns auf eine Zeit einigen. :P

Zu guter Letzt fehlt dann ja noch das Update von mir! Ich durfte mittlerweile aus meiner selbstauferlegten Quarantäne raus und kann als nun wieder in alle Stockwerke gehen und mit meiner Familie zusammen essen und persönlich mit ihnen interagieren. Zugegeben, es ist ein bisschen schwer, wieder zurück zur Normalität zu kommen. Das liegt aber nicht an den Umständen, sondern eher an mir. Die Quarantäne-Situation war immerhin etwas, das einem das Gefühl vermittelt hat, dass das Ganze wirklich ernst ist, dass gerade nichts normal ist und dass die Entscheidung, Reno zu verlassen, wohl richtig war. Wenn ich nun wieder einfach so weitermachen würde wie vorher, würde sich das nicht richtig anfühlen. Oder naja, was heißt schon richtig. Es wäre auf jeden Fall ein weiterer Schritt zurück in das normale Familienleben zuhause in der deutschen Provinz. Und irgendwas in mir sträubt sich dagegen. Das sollte alles gerade nicht so sein. Ich sollte Dinge erleben, mich weiterentwickeln, Spaß haben, Freunde treffen, Sport machen, die Welt entdecken, und so weiter. Und wenn nicht in Reno, dann wenigstens in Dresden oder wo anders. Nichts davon kann ich aktuell. Und wer weiß schon, wie lange das Ganze noch so weitergeht? Es ist einfach ein bisschen zu überfordernd. Da ziehe ich mich dann doch immer noch ganz gerne nach oben in mein Zimmer zurück und beschäftige mich in Ruhe mit irgendwas. Hausaufgaben gibt es ja genug zu tun, von The Office gibt's noch viele Folgen, auf Social Media ist immer was los und auch andere Aufgaben lassen sich immer finden. Damit bin ich gerade ganz zufrieden. Wobei ab und zu mit der Familie zu sprechen, zusammen zu essen und zum Supermarkt zu fahren (hab ich heute das erste Mal seitdem ich wieder hier bin gemacht! :D) auch ganz nett sind. Schauen wir also mal, das Ganze braucht einfach noch seine Zeit. Gesundheitlich geht's mir übrigens immer noch gut und das wird hoffentlich auf weiterhin so bleiben. Bis dahin, macht's erstmal gut! Ich melde mich bald wieder.

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Musikempfehlung des Tages: The Rembrandts - I'll Be There For You

08April
2020

Im Gedankenkarussell

Ich bin nun schon eine Weile zuhause in meinem Zimmer, mehr oder weniger in Isolation. Da hat man wirklich viel Zeit nachzudenken. Und da ich ja so schon immer zu viel über alles nachdenke, multipliziert sich das aktuell. Ich will diesen Blogeintrag nutzen um mir ein bisschen was von der Seele zu schreiben.

Wir alle gehen gerade durch eine schwere Zeit. Von daher bin ich bei weitem nicht der einzige, den es hart getroffen hat, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 15 Jahren hätte mir eine globale Pandemie besser gepasst. Na gut, vielleicht nicht kurz vor meinem Florida-Austausch 2018 und auch nicht vor einigen coolen Reisen, aber ihr wisst worauf ich hinaus will. Ich bin es allgemein gewohnt, alleine zuhause zu sitzen. Als introvertierter Mensch finde ich das oft sogar sehr angenehm. Aber es führt auch ab und zu dazu, dass ich lieber über Dinge nachdenke, als sie wirklich zu machen. Und das gilt es zu ändern! Ich hatte nämlich immer das Gefühl, dass meine Uni- als auch meine persönliche Karriere erst ein bisschen Zeit gebraucht haben um Fahrt aufzunehmen. Erst in den letzten 2-3 Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich langsam ankomme im Studentenleben. Ich ging erst in diesen Jahren voll darin auf. Zu schade, dass ich da schon im Master war. Ich wollte also nicht, dass das Ganze so schnell zu Ende ist. Außerdem hatte ich karrieretechnisch immer noch keinen Plan und ich wollte noch viel mehr der Angebote nutzen, die man als Student so hat. Ein Auslandssemester in den USA - das wär's! Es gäbe mir die Möglichkeit, meine Zukunft nochmal neu zu durchdenken und mein Studienfach mal von einer anderen Perspektive aus zu betrachten (wenn man 5 Jahre mit den gleichen Professoren zu tun hat, verliert man nämlich so ein bisschen die Weitsicht). Es würde im Lebenslauf gut aussehen und ich würde Connections in den USA aufbauen. Ich könnte endlich in das College-Leben eintauchen, dass mich schon immer fasziniert hat, gerade auch nachdem ich in Florida damals einen kleinen Einblick bekommen hatte. Ich könnte endlich mal wieder raus aus meinem Trott kommen, neues Selbstvertrauen finden, neue Kontakte knüpfen und mein Weltbild erweitern. Noch dazu könnte ich endlich besser an mir persönlich arbeiten. Und wer weiß, was in 4 Monaten an einem amerikanischen College noch so passiert? Ich würde endlich mal machen, statt immer nur rumzugrübeln! Ich bewarb mich also. Gerade Reno als Standort fand ich super spannend, da es perfekt zu meinem Studienfach passt und ich seitdem ich in Las Vegas mit der Familie war, irgendwie auch ein Faible für Nevada hatte. Es ist mit seiner Casino-Kultur und dem unüblichen Layout (zwei große Städte und sonst nur Wüste) irgendwie total faszinierend. Ihr könnt euch also bestimmt vorstellen, wie unglaublich glücklich ich war, als die Zusage kam! Der Traum wurde wahr! Und was dann passierte ist ja ausführlich in diesem Blog festgehalten. :)

Nun aber das. Ich sitze zuhause im Haus meiner Familie und schreibe diesen dramatischen Eintrag, wo ich doch eigentlich jetzt gerade im Mackay Science Building sitzen und mir einen Vortrag vom wöchentlichen Geography Colloquium anhören sollte. Danach würde ich vielleicht zum Tennis-Training fahren und dann in "The Den" gemütlich mit meinen Leuten zu Abend essen. Glaubt mir, ich weiß, dass ich eigentlich nicht so denken sollte, denn es ist nun mal so wie es ist und ich kann nichts dran ändern. Selbst wenn ich in Reno geblieben wäre, wäre all das was ich bisher erlebt hätte vorbei gewesen und ich wäre vermutlich die ganze Zeit quasi alleine in der Sierra Hall rumgesessen mit Anrufen von besorgten Eltern und Zweifeln, ob das angesichts der steigenden Infektionszahlen in den USA wirklich die richtige Idee war. Aber irgendwie geht es halt einem doch nicht aus dem Kopf. Man denkt sich ständig, warum gerade jetzt? Warum gerade in dem einen Semester, das ich hernehmen wollte, um in meinem Leben weiterzukommen, meinen zukünftigen Weg neu zu formen und mal so richtig das Studentendasein auszukosten? Es liegt eine gewisse Ironie in der ganzen Sache, findet ihr nicht auch?

Von der Uni-Seite her ist es ja eigentlich noch gar nicht vorbei. Ich belege weiterhin meine Kurse, höre mir die Online-Vorlesungen an und mache meine Hausaufgaben. Aber alles andere ist es eben. Außerdem ist es viel schwerer sich zu motivieren, wenn man kein motivierendes Umfeld hat (nichts gegen unser Haus, aber im Vergleich zum Konferenzraum in der Sierra Hall und Freunden, die auch arbeiten... nein). Man könnte jetzt sagen, dass man die Zeit nun trotzdem nutzen kann und so viele Dinge tun kann, die man immer schon mal machen wollte. Es gibt so viele Möglichkeiten. Einzig die Motivation fehlt. Ich bin ja aktuell immer mal wieder dabei, ältere Blogeinträge zu vervollständigen. Außerdem sortiere ich ab und zu Fotos und stelle sie schön in einer Diashow zusammen. Es ist härter als anfangs gedacht, denn man wird jedes Mal an die tolle Zeit zurückerinnert. Das an sich ist ja eigentlich nicht schlimm, sondern eher schön. Es ist eher der Fakt, dass man nun darauf zurückblickt und merkt, hey, das war das letzte Wochenende an dem alles normal war. Hier beim Eislaufen hätten wir nicht gedacht, dass wir in zwei Monaten schon alle wieder zurückfliegen würden. Die Fahrt nach San Francisco war rückblickend die einzige längere Reise die wir machen würden. Hier beim Skifahren überlegten wir noch, wann wir das nächste Mal dafür Zeit hätten. Joaquin's Geburtstag war cool, schade dass es der letzte war, den wir feiern konnten. Hier, dieses Unigebäude, da hätte ich ruhig mal reinschauen sollen. Hier dieses lustige Foto in der Mensa, wer hätte gedacht, dass sie ein paar Wochen später schließen würde? Hier das Foto mit uns allen in der Lobby. Es war unser letztes Foto zusammen. Ich denke ihr seht was ich meine. Manchmal benutze ich auch unsere WhatsApp-Verläufe, um Tage für fehlende Blogeinträge zu rekonstruieren. Wenn ich nun lese, dass Leute schreiben, dass sie auf jeden Fall hierbleiben werden, ist das schon irgendwie traurig. Es wird einem bewusst, dass man niemals weiß was kommt. Und vor allem, dass man die Zeit nutzen soll, die man hat. Ich bereue es total, dass ich die Geodäsie-Professoren der UNR nicht einmal kontaktiert hatte. Ich wollte das nach Spring Break machen. Gott, wie doof! Ich bereue es total, mich nicht mit Cynthia getroffen zu haben (eine Studentin aus Reno, die ich in Dresden kennengelernt hatte und mit der ich das ausgemacht hatte). Auch das wollte ich dummerweise nach Spring Break machen. Ich bereue es, dass ich manche Aktivitäten nicht mitgemacht habe, manche Gelegenheiten nicht genutzt habe, manche Dinge nicht gesagt habe. Das alles wird einem nach und nach klar. Und in Isolation kann man sich diesen Gedanken nur schlecht entziehen.

Aber ich will das Ganze jetzt auch nicht schwärzer malen als es ist. Ich bin ja auch erwachsen und weiß, dass ich nicht so denken sollte. Keiner ist perfekt und keiner konnte damit rechnen. Außerdem lässt sich die Vergangenheit nicht ändern und Gedanken über die Zukunft sind eh alle nur hypothetisch. Ich sollte froh sein, dass die Pandemie zumindest so lange gewartet hat, dass ich noch 2,5 schöne Monate in Reno verbringen konnte. Es war die schönste Zeit meines Lebens (würde ich hier mal so vorsichtig sagen) und das kann mir keiner wegnehmen. Ich habe eine Menge neuer Freunde gefunden, eine Menge neuer Dinge ausprobiert und den amerikanischen Spirit so richtig ausgekostet und gelebt. Und wenn das nichts ist dann weiß ich auch nicht! Ich sollte den Aufenthalt also nicht auf dessen Ende reduzieren, sondern die Dinge feiern, die ich erleben durfte. Nur wie gesagt, leider ist das in der aktuellen Lage nicht immer einfach. Auch wenn der Kopf all diese Fakten kennt, ist das Herz oft noch nicht bereit, diese zu verinnerlichen. Aber vielleicht ist das gerade auch gar nicht schlimm. Es ist okay, dem Ganzen nachzutrauern. Und mal ehrlich, wer ist in der aktuell Situation schon permanent glücklich und optimistisch? Außerdem zeigt es, wie wichtig und prägend diese Zeit war. Zu wichtig um zwei Wochen später einfach ganz normal weiterzumachen. Wir werden sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Erstmal bin ich eigentlich noch ganz froh, dass der Alltag gerade stillsteht. Würde es jetzt einfach so weitergehen wie bisher, würde es sich falsch anfühlen. Ich weiß, dass dieser Eintrag ein bisschen sehr melancholisch daherkommt. Aber wenn ich jetzt einen allgemeinen Eintrag über die letzte Woche verfasst hätte, wäre das glaube ich auch nicht richtig gewesen. Manchmal braucht man eben ein kleines Ventil um ein bisschen Dampf abzulassen. Ich hoffe euch geht es auch weiterhin gut und ihr bleibt schön drin! Ihr hört von mir, ich habe noch so viele Ideen, wie ich diesen Blog weiterführen kann. Und wie gesagt, alte Blogeinträge werden sporadisch geupdated! :)

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Musikempfehlung des Tages: Post Malone - Myself

01April
2020

24 Jahre - Ein Geburtstag den ich nie vergessen werde

Falls es Blogleser gibt, die mir nicht super nahestehen: Ja, am 1. April ist mein Geburtstag! Es ist Fluch und Segen. Die Leute denken man scherzt mit ihnen aber sie merken es sich meistens. Und ja, ich werde heute 24 Jahre alt. Fühlt sich für mich noch nicht richtig an, aber das wird schon noch kommen. Ich tendiere dazu, mich jünger zu fühlen als ich bin (wie so viele Leute). Vielleicht will ich es auch nur nicht wahr haben, aber da gehen wir jetzt zu weit in meine Psyche. :D

Ich will ehrlich sein, hätte mir jemand an Neujahr gesagt, dass ich meinen Geburtstag heuer nicht in Reno feiern werde, sondern in Isolation bei meiner Familie in Marktredwitz, hätte ich die Person wohl für verrückt gehalten. Vielleicht hätte ich auch ein wenig Angst bekommen, denn das hieße, dass irgendwas schief gelaufen ist. Und genau das ist es ja auch - eine weltweite Epidemie legt das ganze Alltagsleben lahm, Leute befinden sich in Quarantäne, in den Nachrichten nur noch Panik, keine großen Events mehr, jeden Tag neue Fallzahlen, alles läuft nur noch online, jeder soll zuhause bleiben - und inmitten dieses ganzen Wahnsinns liegt zufällig mein Geburtstag. Den hatte ich ursprünglich viel spannender geplant. Ich hatte überlegt, meine Freunde in Reno mit in ein deutsches Lokal zu nehmen (davon gibt es sogar mehrere) und danach hätten wir es irgendwo in Downtown so richtig krachen lassen. Wie man es eben machen würde, wenn man in seinem Auslandssemester in den USA Geburtstag hat. Na gut, es ist ein Mittwoch, also hätten wir das vielleicht auf das Wochenende verschoben, aber dennoch. Ich hatte mich sogar schon auf die Geschenke meiner Freunde gefreut. Die hatten sich für Joaquin und auch für Madi einiges einfallen lassen. Hätte mich schon gereizt zu sehen, was sie sich für mich hätten einfallen lassen. :D

Aber lassen wir die Traumvorstellungen. Vielleicht glorifiziere ich den Tag auch ein bisschen zu sehr. Wir werden es nie erfahren. Und sonst werde ich nur wieder zu sentimental. Ich saß nun also in meiner Selbst-Quarantäne und musste mir irgendwas für den großen Tag überlegen. Meine Familie versuchte, es mir so angenehm wie möglich zu machen. Soweit das aus der Ferne eben geht. Ich durfte mir zwei Lieblingsessen wünschen und bekam einen leckeren Käsekuchen gebacken. Spezielle Geschenke hatten sie nun aber auch nicht vorbereitet, da alles so kurzfristig kam. Naja, aber Geschenke sind ja auch nicht das wichtigste. Das was mir am meisten an diesem Tag fehlen wird sind meine Freunde bzw. allgemein Leute die mir nahestehen, dachte ich mir. Und wie kann ich das in meiner Situation ändern? Natürlich: Videochats! Schon in den letzten Tagen in Reno teilte ich den anderen mit, dass das das einzige ist, was ich mir für meinen Geburtstag so richtig wünsche. Dass wir, wenn wir ihn schon nicht zusammen in Reno feiern können, ihn wenigstens virtuell zusammen feiern. Das war aber leichter gesagt als getan. Die Tage vor dem 1. April versuchte ich herauszufinden, welche Zeit dafür am besten passt. Ein paar Leute befinden sich in Europa, ein paar in den USA, ein paar in Ostasien. Irgendwo wird es also immer Morgen sein und irgendwo anders Abend. Als dann auch noch Joaquin bekannt gab, dass er spontan nach Chile zurückfliegt, kam noch eine weitere Zeitzone hinzu. Wir diskutierten in unserer WhatsApp-Gruppe, was jeder bevorzugt. Am Ende konnten wir uns auf zwei Zeiten festlegen: 9 Uhr morgens und 1 Uhr nachts (mitteleuropäische Zeit). Na schauen wir mal ob das was wird.

Heute an meinem Geburtstag stand ich tatsächlich kurz vor 9 Uhr auf (was aktuell komplett gegen meinen Schlafrythmus geht) und erstellte ein Zoom-Meeting. Zoom ist das Programm, das nun für alle Online-Klassen verwendet wird und das sich auch für solch einen Zweck anbietet. Im Gegensatz zu Skype muss sich nicht jeder anmelden und es gibt einige nette Funktionen, aber Skype ist wohl insgesamt unkomplizierter. Naja, lassen wir das technische Gelaber. Ich ging online und nach und nach kamen die meisten meiner Leute aus Reno dazu. Peter meldete sich aus seinem Hotelzimmer, Reggy aus ihrem Zimmer bei ihren Eltern, genau wie Diana und Jiwon, Kiki aus dem Keller in dem wir damals alle übernachtet hatten, Aurora aus dem Haus ihrer Gastfamilie und Daniel aus seinem Zimmer in der Sierra Hall. Es klingt verrückt, aber es fühlte sich gleich wieder so an, als würden wir alle im Konferenzraum zusammen abhängen oder so ähnlich. Wir tauschten uns über alles mögliche aus, jeder erzählte was in den letzten paar Tagen so passiert ist und es wurde auch ein wenig rumgealbert. Die Amerikaner verabschiedeten sich recht früh, da es bei ihnen Nacht wurde. Die meisten anderen blieben aber länger und am Ende chatteten wir über 4 Stunden(!). Gegen 13 Uhr kam Ema sogar noch kurz hinzu, die aufgrund des Jetlags so lange geschlafen hatte. Ist für mich nur nachvollziehbar, da das aktuell auch mein Schlafrythmus ist. Gegen 13:30 Uhr war das Ganze dann vorbei. Es hätte nicht besser losgehen können. Ich bekam im Anschluss gleich das Mittagessen hochgebracht (Gulasch mit Reis). Perfekt! Auch einige Geschenke hatte ich bekommen, darunter ein Hostel-Gutschein von meiner Schwester, den ich immer gut gebrauchen kann. :) Dann wagte ich zusammen mit meiner Mutter und meiner Schwester etwas, was aktuell schon fast kriminell klingt: Wir gingen zusammen spazieren! Natürlich stets 2 Meter auseinander, was sich zwar etwas komisch anfühlte, aber ziemlich gut funktionierte. Das Wetter war super und ich konnte mich endlich mal persönlich mit meiner Familie austauschen, was die letzten Tage ja sonst nur über den Alexa-Lautsprecher in meinem Zimmer möglich war. Wir kamen wieder zurück und ich bekam Käsekuchen nach oben geliefert, den ich virtuell über Skype mit der Familie aß. Dann bekam ich Anrufe von anderen Freunden und Familienangehörigen. Zwischendurch hatte ich unzählige Nachrichten zu beantworten auf den verschiedensten sozialen Netzwerken. Gegen Abend hatte ich mich dann noch mit anderen Freunden aus Dresden zu einer Zoom-Konferenz verabredet. Es gibt ja nicht nur die Reno-Leute. Inmitten dieses Videochats bekam ich dann das Abendessen geliefert: selbstgemachte Burger, natürlich ganz USA-Style. Und ganz ehrlich, die stehen den meisten Burgern in den USA in nichts nach! Ich war aber ganz schön voll nach dem ganzen Essen heute. So soll es ja aber auch sein! :D Ich ruhte mich dann zum ersten Mal am Tag ein bisschen aus und hatte dann eine nicht ganz so doofe Idee: Schlafen. Ich hatte mich ja nochmal um 1 Uhr nachts mit den anderen verabredet und da ich schon etwas müde wurde, stellte ich mir einfach den Wecker und schlief 1,5 Stunden. Pünktlich wachte ich wieder auf und es ging direkt in die nächste Zoom-Konferenz. Diesmal waren sogar auch Brooke und Joaquin (der inzwischen sicher in Chile gelandet war) mit dabei und während Ema diesmal pünktlich und hellwach war, kam Reggy erst Stunden später dazu. Diesmal war es eben Morgen in Asien. Schon verrückt, wenn man so drüber nachdenkt. Da setzt man sich einfach hin, klappt den Laptop auf und spricht mit 10 Leuten die über den ganzen Globus verteilt sind. Ist alles möglich heutzutage. Während Diana schnell müde wurde und auch Brooke, Joaquin, Daniel und Aurora den Chat nach einiger Zeit verließen, zeigten die Asiaten mehr Ausdauer und Ema bewies, dass sie angesichts ihres Schlafrythmus nicht gelogen hat (sie hatte sogar eine Online-Klasse um 4 Uhr, die sie dann besuchte). Ich glaube kaum, dass ich das hier schreibe, aber ich verließ das Meeting um etwa 5:50 Uhr. Keine Sorge, das ist auch für mich unheimlich spät, aber heute war das okay. Wachzubleiben ging trotzdem erstaunlich gut. Das kommt davon, wenn man nicht gegen den Jetlag ankämpft. Dann ging es aber auch gleich ins Bett.

Fassen wir also zusammen: 4,5h morgens + 2h abends + 4,5h nachts macht insgesamt 11h Videochat! Dann habe ich ja noch etwa ein bis zwei Stunden telefoniert und geskypt und den Rest des Tages entweder gegessen, draußen mit der Familie die Sonne genossen oder Nachrichten von Freunden beantwortet. Es gibt auch schlimmere Geburtstage. Ich habe heute bestimmt so viel Kontakt zu Freunden und Familie gehabt, wie sonst noch nie. Wann kann man das schon mal behaupten? Mir wurde auf jeden Fall nicht langweilig. Und vielleicht ist das auch der Vorteil der aktuellen Situation. Jeder hat auf einmal Zeit und Lust, sich mit anderen Leuten wieder zu connecten. Jeder merkt so ein bisschen, dass genau das gerade fehlt, habe ich das Gefühl. Und das ist vielleicht auch der große Gewinn, den wir aus dem Ganzen mitnehmen sollten. Dass wir soziale Kontakte besser pflegen und uns einfach öfters mal melden sollten. Das hat auf jeden Fall dazu geführt, dass mein Geburtstag heute viel angenehmer war, als ich es mir vorher ausgemalt hatte. Nicht nur wegen der einmaligen Situation, sondern auch deswegen war es ein Geburtstag, den ich wohl nie vergessen werde! :)

Ups, heute war ich offenbar mal wieder richtig ausschweifend. Wenn man mal im Flow ist, schreibt man eben mal ein paar mehr Absätze. Hier ging es jetzt außerdem nur wenig über Reno, aber ich hoffe meine Leser verzeihen mir das. Indirekt gehört es ja zur Erfahrung mit dazu. :) Ich melde mich bald wieder! Und wie schon gesagt, schaut in die alten Einträge rein, die werden bald alle geupdatet!

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Musikempfehlung des Tages: Tom Misch feat. Poppy Ajudha - Disco Yes