Berichte von 11/2020

08November
2020

Aufatmen - endlich auch in Nevada!

Endlich ist er Geschichte! Donald Trump ist raus aus dem Weißen Haus! Und Millionen Amerikaner und Millarden Menschen auf der ganzen Welt können endlich aufatmen. 4 Jahre, die von Falschinformation, rassistischen und sexistischen Anfeindungen, ungeheuerlicher Ignoranz und erstaunlicher Inkompetenz geprägt waren, sind jetzt vorbei. Nachdem ich in den letzen Monaten und Jahren immer wieder an den Amerikanern gezweifelt habe, habe ich gestern wieder ein bisschen Hoffnung gewonnen. Dass die Mehrheit in diesem Land eben doch nicht so dumm ist, und dass sie doch für Menschlichkeit steht und nicht einfach resigniert. Aber dennoch war diese Woche zunächst eine ziemliche Achterbahnfahrt.

Ich wollte am Wahltag, dem 3. November, besonders lange wachbleiben, um die Wahlnacht mitzuverfolgen. Mir war klar, dass das Endergebnis in dieser Nacht vermutlich noch nicht feststehen wird. Aber ich hoffte zumindest darauf, dass sich ein Trend abzeichnen würde. Nur war auch das im Nachhinein ein bisschen zu optimistisch gedacht. Als die ersten Stimmen am späten Abend reinkamen, ließen sich zwar keine Überraschungen erkennen, aber man konnte meinen, vor allem mit Blick auf die Auszählung in Ohio, dass Biden massiv dazugewinnen würde und große Chancen hat, ein paar Staaten unerwartet zu gewinnnen. Das änderte sich allerdings schnell, als Florida auf einmal anfing, zu Trump zu tendieren. Und dazu trugen offenbar hauptsächlich Latino-Voter bei. Ernsthaft? Auch in Texas stimmten Latinos diesmal häufiger für Trump, als noch vor vier Jahren. Das ließ viele Leute (inklusive mir) sehr sorgenvoll zurück. Als die anfängliche Euphorie verflog und sich immer mehr Staaten rot färbten, flüchtete ich mich in eine Konversation mit Erin, einer alten Freundin aus meiner Zeit in Florida, die Politikwissenschaft studiert. Auch sie war entsetzt über das Ergebnis. Aber noch war ja bei weitem nicht alles ausgezählt. Ich hatte die Hoffnung, dass jeden Moment ein Swing State kippen würde, aber das sollte mir in dieser Nacht nicht mehr vergönnt bleiben. Um kurz nach 6 Uhr ging ich ins Bett und hoffte, nicht wieder in einem Alptraum aufzuwachen.

Am nächsten Tag sah ich zuerst die besorgten Nachrichten von ein paar Freunden. Ich ging schon vom schlimmsten aus, aber es stellte sich lediglich heraus, dass Trump sich einfach mal so zum Sieger erklärt hatte. In welcher Welt ist das eigentlich kein Verhalten eines Autokraten? Aber nun gut, immerhin hatte sich das Ergebnis nicht sehr verändert. Ich verbrachte (wie eigentlich den Großteil der Woche) die Zeit damit, auf CNN dem erstaunlich ambitionierten Reporter John King dabei zuzusehen, wie er an der Ergebniskarte herumspielte, die Fortschritte und Ergebnisse in einigen Counties in verschiedenen Bundesstaaten zeigte und sich dabei alle 10 Minuten wiederholte. Eins ist sicher, ich habe einiges an unnützem US-Geographiewissen hinzugelernt. Zum Beispiel liegt Atlanta im Fulton County und Phoenix im Maricopa County. Cool, oder? Am Abend wurde dann aber auf einmal verkündet, dass Biden sowohl die Swing States Wisconsin und Michigan gewonnen hat. Wow, das war groß! Zudem kamen bei den meisten anderen Staaten, die noch unentschieden waren, meist nur noch die Briefwahlstimmen dazu und die sind größtenteils Demokratisch. Nun war es also nur noch eine Frage der Zeit, bis Biden genug Wahlmännerstimmen erreicht.

Am Donnerstag und Freitag wartete eigentlich jeder nur darauf, dass sich irgendwas in den ausstehenden Staaten tut. Diese waren Georgia, Pennsylvania, North Carolina, Arizona und tatsächlich Nevada. Und hier wird es nun verrückt. Viele Medienanstalten haben Biden schon den Sieg in Arizona gegeben (ein bisschen zu früh wie ich finde) und das bedeutete, dass Biden nur noch einen anderen Staat braucht, um zu gewinnen. In Nevada hatte er die größten Chancen. Nur... irgendwie kamen die nicht aus dem Quark. Während in den großen Bundesstaaten Georgia und Pennsylvania unerbittlich gezählt wurde und stündlich neue Updates kamen, hörte man aus dem kleinen Nevada meist nur, dass in den nächsten Tagen irgendwann neue Zahlen veröffentlich werden. Das ließ die amerikanische Netzgemeinde nicht kalt und auf einmal verbreiteten sich überall Nevada-Memes. Eins lustiger als das andere. Ich hab euch hier mal den Artikel vom Nevada Sagebrush, der Studentenzeitung der UNR, verlinkt, falls ihr ein paar Beispiele sehen wollt: Link. Ich kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und freute mich (zusammen mit einigen Freunden aus Reno), dass Nevada gerade weltweit in aller Munde ist. Natürlich hätte ich es mir lieber gewünscht, dass sie einfach schnell auszählen würden und Trump damit aus dem Weißen Haus kicken, aber naja, auch schlechte Publicity ist gute Publicity oder?

Und dann kam gestern gegen 17 Uhr endlich die befreiende Meldung. John Biden gewinnt Pennsylvania und ist damit der nächste Präsident der USA! Es war toll. Überall auf Social Media hörte man Stimmen der Freude und Erleichterung. Man sah Leute auf den Straßen friedlich zusammen feiern. Meine amerikanischen Freunde schrieben mir, wie glücklich sie sind und dass ihnen allen nun ein großer Stein vom Herzen fällt. Von Europa aus hat man ja oft leicht sagen, aber man muss sich mal vorstellen, wie es für viele Leute gewesen sein muss, 4 Jahre unter Donald Trump zu leben. Ein CNN-Reporter hat das kurz nach der Verkündung von Biden's Sieg sehr eindrücklich geschildert finde ich: Link. Ich hoffe wirklich inständig für die vielen rechtschaffenden Amerikaner, dass sich die USA nun in eine bessere Richtung entwickeln. Ich war immer der festen Überzeugung, dass dieses Land so viel mehr Potential hat, in jeglicher Hinsicht. Genau das gilt es, nun langsam zu aktivieren, die Leute zu vereinen und wieder ein gewisses Maß an Empathie und Solidarität an den Tag zu legen. Dann kann daraus was echt großes entstehen. Natürlich muss man auch die Biden-Administration (übrigens mit einer historischen Vizepräsidentin Kamala Harris) nun genau beobachten und "accountable" halten. Ich bin immer noch der Meinung, dass Bernie Sanders der bessere Kanditat gewesen wäre, von daher ist es mit Biden bei weitem nicht getan. Aber es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Was mir an Biden am meisten gefällt, ist dass er versuchen will, ein Präsident für alle Amerikaner zu sein. Wir dürfen nicht vergessen, dass Trump immer noch sehr sehr viele Stimmen bekommen hat - absolut sogar mehr als vor vier Jahren! Für mich ist das so unverständlich, ich kann es gar nicht angemessen ausdrücken. Aber es zeigt, dass dieses Land leider sehr gespalten ist und dass sich die Lebensrealitäten der Amerikaner sehr stark unterscheiden. Auch wenn Trump nun weg ist, seine Anhängerschaft wird nicht einfach so aufhören. Vielleicht werden sie nun sogar noch aggressiver? Deswegen muss die Politik nun wirklich versuchen, die Leute wieder zu vereinen. Sonst sehe ich auf lange Sicht leider immer noch schwarz. Aber wie gesagt, ein Anfang ist gottseidank schon gemacht. Und ach ja, Trump wird natürlich auch nicht ohne Protest gehen. Er hat schon in vielen Staaten gegen das Wahlergebnis geklagt, aber mein Gott Donald, sieh's ein, deine Zeit ist vorbei. Zu viele Staaten sind nun blau, das kannst du gar nicht alles umdrehen. Übrigens, die Nachricht, dass Biden auch Nevada gewonnen hat, kam von einigen Medienanstalten in etwa eine Stunde nach dem Ergebnis aus Pennsylvania. Wow Nevada, das ist schon eine Leistung, bis genau zu dem Zeitpunkt zu warten, an dem man nicht mehr im Rampenlicht steht und Trump aus dem Weißen Haus werfen kann. Mein "Heimat-Bundesstaat" hat am Ende bei dieser Wahl wirklich auf seine eigene Art Geschichte geschrieben.

Also dann, heute gab es mal einen kleinen Politik-Exkurs. Irgendwie hat es sich anders angefühlt, diesen Eintrag zu schreiben als sonst. Vielleicht weil es nicht um die üblichen Themen ging? Vielleicht weil ich sehr tief in allgemeine, gesellschaftliche Probleme und Tatsachen reingegangen bin? Vielleicht weil Politik einfach kein cooles Thema ist? Keine Ahnung. Aber in solch einer historischen Woche darf ein solcher Post auf jeden Fall mal sein. Ich gehe jedenfalls mit einem guten Gefühl und mit neuem Elan in die neue Woche. Ich hoffe ihr auch! :)

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Musikempfehlung des Tages: Nappy Roots - Good Day

01November
2020

Throwback zum Anfang des Jahres

Tja, wer hätte es gedacht. In Deutschland gibt es so viele Corona-Fälle wie noch nie und ab morgen starten wir wieder in einen Lockdown. Bis vor wenigen Wochen hätte ich das niemals geglaubt. Genauso wenig wie ich damals im März bis kurz vorher nicht geglaubt habe, dass jetzt wirklich eine ernstzunehmende Pandemie über die Welt hereinbricht. Eins wird jetzt wieder klar: Man weiß nie was kommt. Alles kann passieren. Tun können wir aber eh nichts dagegen, daher lasst uns diesen November nun einfach ganz entspannt durchstehen - stets mit genug Vorsicht natürlich. Ich könnte mich hier nun mehr darüber aufregen, dass der Lockdown gerade in der Woche kommt, in der drei regelmäßige Sportveranstaltungen und der internationale Treff zu dem ich sonst immer gegangen bin, begonnen hätten und dass ich nun noch weniger Struktur in meinem Alltag habe, aber hey, meckern bringt auch nichts. Wenn das alles irgendwann mal vorbei ist, werden wir unsere neue Freiheit umso mehr zu schätzen wissen.

Aber auch andere Dinge sind am Anfang des Jahres passiert, mit denen ich mich beschäftigt habe: zwei erlebnisreiche Tage - bisher ohne Blogeintrag. Wie ihr vielleicht noch wisst, fehlen noch einige Blogeinträge von meiner Zeit in Reno, die ich damals vor Ort nicht vervollständigt habe, weil einfach die Zeit dazu gefehlt hat. Ich wollte all diese Einträge jetzt im Nachhinein noch vervollständigen, nur habe ich das aus irgendeinem Grund immer vor mir hergeschoben. Diese Woche hatte ich aber ziemlich wenig zu tun und so setzte ich mich eines Nachmittags mal endlich an die beiden Tage im Januar und Februar, die die einzigen Einträge vor der Corona-Zeit waren, die noch gefehlt hatten. Genauer gesagt geht es um den 24. Januar (Club Fair, Eislaufen & mehr) und den 16. Februar (San Francisco). Ihr denkt jetzt vielleicht, alles schön und gut, aber kannst du dich denn da überhaupt noch an alles erinnern? Puh, da steht euch auf jeden Fall eine Überraschung bevor. Ich habe von den meisten dieser Ereignisse nämlich noch ein sehr genaues Bild. Außerdem habe ich mir mit Fotos, WhatsApp-Nachrichten und Kartenausschnitten auf die Sprünge geholfen. Das Resultat sind zwei Einträge, die in der Länge weit über dem Durchschnitt liegen (der SF-Eintrag ist bestimmt der längste auf diesem Blog) und die ich natürlich so nie damals verfasst hätte. Dazu hätte wirklich die Zeit gefehlt. Aber da ich die Zeit nun jetzt hatte und mich noch an so vieles erinnern konnte, wäre es schade gewesen, wenn ich ein paar Details rausgelassen hätte. So hat man vor allem auch eine gute Erinnerungshilfe für die Zukunft. Ich habe mich beim Prozess des Schreibens an viele Eindrücke zurückerinnert, die ich gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. War sehr schön aber macht einen natürlich auch wehmütig. Aber genug gelabert. Wenn ihr Lust habt, lest gerne die Beiträge vom 24. Januar (Ein Kaleidoskop an Eindrücken und Erlebnissen) und vom 16. Februar (Party at the Frisco Bay). Ein paar neue Fotos sind auch dazugekommen. Wenn ihr nicht in den ewigen Weiten dieses Blogs danach suchen wollt, gibt es hier noch die Links dazu: Club Fair + EislaufenSan Francisco.

So das war's. Diesmal mal kein Update sondern quasi ein Throwback. Ist auch mal nett und dreht sich ja eigentlich mehr um mein Auslandssemester als meine jetzigen Posts. Ich hoffe ihr habt Freude daran! Mein nächster Post kommt übrigens bestimmt bald. Immerhin steht ein wichtiges Ereignis in den USA an. Bleibt gesund und passt aufeinander auf!

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Musikempfehlung des Tages: Fleetwood Mac - Dreams