22März
2020

Carpe diem!

Dieser Blogeintrag enthält Updates, die ich am 04.01. hinzugefügt habe. Ja, ich weiß das ist ein bisschen spät, aber ich wollte alle unvollständigen Blogeinträge irgendwann zu Ende schreiben und auch da gilt eben besser spät als nie! Auch wenn ich mich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern kann, so gibt es dennoch vieles was ich von diesem Tag noch weiß. Und das will ich euch natürlich nicht vorenthalten. Zuerst gibt's den alten Eintrag und dann den neuen. Viel Spaß!

---

Nehmt euch den Titel dieses Blogeintrags zu Herzen! Man weiß nie wie das Leben spielt. Aber man hat jeden Tag aufs neue tausende Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln, zu lernen, Spaß zu haben, Freunde zu kontaktieren, mit der Familie zu sprechen, sich zu bewegen, zu reisen, sich zu entspannen, Dinge auszuprobieren, und so weiter. Das ist vielleicht nur ein tiefsinniger Spruch, aber es ist wahr. Ich hab es in den letzten 2,5 Monaten erlebt, was alles möglich sein kann, wie man seinen Alltag von heute auf morgen ganz anders führen kann, wie man aus dem Trott herauskommt. Vielleicht braucht es manchmal einen Ortswechsel. Gut, aktuell ist das nicht so einfach, aber der Ortswechsel ist lediglich der Auslöser. Die eigentliche Veränderung findet nämlich in unserem Kopf statt. Ach ja, und nehmt nicht alles zu ernst. Das ist es meistens nicht wert. :)

Heute habe ich meinen Rückflug nach Deutschland gebucht. Ich werde nicht erst am 8. Juni zurück nach Deutschland fliegen, sondern schon am 25. März. Wenn alles klappt. Es war keine leichte Entscheidung, vielleicht sogar die schwerste, die ich seit langem fällen musste. Aber angesichts der Lage in den USA, meinem Umfeld hier in Reno, den finanziellen Entschädigungen und den Hinweisen meiner Eltern, ist es denke ich die richtige. So hatte ich mir mein Auslandssemester natürlich nicht vorgestellt, aber es ist leider die Realität. Eine globale Pandemie - klar, wer hätte das auch vorhersagen können. Derjenige wäre hier in Reno reich geworden. Die einzelnen Gründe, die meine Entscheidung beeinflusst haben, werde ich nicht im Detail hier erklären. Die haben schon meine ganze Woche bestimmt und ich werde auf jeden Fall in einem früheren Blogeintrag drauf eingehen, wenn ich dann die Zeit finde. Auch diesen Blogeintrag werde ich erstmal nicht vervollständigen. Dazu habe ich einfach zu viel anderes zu tun. Seid euch aber sicher, mir geht es immer noch gut und die anfängliche Trauer über die Zeit hier in Reno ist auch weitestgehend überwunden. Und noch ist die Reise ja nicht zu Ende. Es gibt noch zwei spannende Tage und dann müssen wir ja auch erstmal schauen ob unser Flug überhaupt fliegt. Ist ja alles sehr fluktuierend gerade. Aber das wird schon! Wie gesagt, wenn man sich zu sehr reinsteigert ist es das meistens nicht wert. :)

---

Heute stand ich wieder früher auf als sonst. Ich kann mir schon vorstellen wieso: Der Flug musste gebucht werden. Ich schrieb mit Diana und verabredete mich mit ihr in ihrem Zimmer im 7. Stock. Peter ließ ich derweil in Ruhe schlafen. Bei Diana angekommen lief alles fast schon surreal ab. Wir öffneten unsere Laptops, gingen auf die United-Website und suchten wie selbstverständlich nach passenden Flügen. Jetzt war es eh schon entschieden. Wir fliegen heim. Das darf man glaube ich in dem Moment auch gar nicht so an sich ran lassen, das wäre nur kontraproduktiv. Bei der Flugsuche gab es allerdings Probleme. Es gab einfach keine. Beziehungsweise gab es schon welche, die waren aber entweder teuer (über 3000€) oder gingen umständlich mit Air Canada über einen kanadischen Flughafen plus einen anderen Stopp. Beide wollten wir nicht wirklich nehmen, den kanadischen vor allem deswegen nicht, weil man in der aktuellen Situation nie weiß, wie das so mit der Einreise bzw. dem Transit ist. Was also tun? Interessanterweise tauchten immer mal wieder günstige Verbindungen über San Francisco auf. Einfach so. Günstig heißt hier übrigens 829€ pro Person. Das komische war auch, dass diese Flüge immer wieder an unterschiedlichen Tagen auftauchten und dann einfach auch wieder ganz schnell weg waren. Wir wollten nicht unbedingt morgen schon fliegen, aber auch nicht erst in einer Woche. Blöd, da so kurzfristige Entscheidungen treffen zu müssen. Einmal waren wir sogar kurz davor einen Flug für den nächsten Tag zu kaufen. Welche Wahl haben wir denn? Aber dieser Flug verschwand dann genauso schnell wie er auftauchte. Ebenso schien es wirklich eher um den internationalen Flug zu gehen. Flüge von Reno nach San Francisco oder anderswo hin konnte man ohne Probleme buchen. Ich rief zwischendurch immer mal meinen Vater an und auch Diana sprach mit ihrem Vater. Aber so richtig wusste irgendwie keiner was wir genau machen sollen. Warten? Den nächsten günstigen Flug buchen? Oder doch die kanadische Verbindung? Man hätte wirklich ausrasten können, aber wir funktionierten irgendwie nur noch. Und nach etwa 2 Stunden Wartezeit tauchte er dann auf einmal auf. Flug UA58 am 25. März von San Francisco nach Frankfurt. Der Anschlussflug von Reno aus würde damit klappen. Wir beide waren uns sofort einig, dass er das ist und genauso schnell wie der Flug in der Datenbank auftauchte, so schnell befanden wir uns auch schon auf der Buchungsseite. Wir riefen beide unsere Väter an, die uns wichtige Daten lieferten. Diana übernahm erstmal die Kosten, da sie sicher so viel Geld auf ihrer Kreditkarte hatte. Wir hatten ständig Angst, dass die Buchung auf einmal abbrechen würde. Das war zumindest anderen schon passiert in den letzten Tagen. Ohne noch groß drüber zu reden, klickten wir auf den finalen Buchungsbutton. Zu unserer Verwunderung hat alles geklappt. Wir hatten unseren Rückflug gebucht. In 3 Tagen ist es also schon soweit. Wir waren gleichzeitig glücklich aber auch irgendwie so gar nicht. Es war ein komisches Gefühl. Wie man sich eben fühlt, wenn man gerade die coolste Zeit seines Lebens freiwillig beendet hat, um in einer für einen selbst noch nicht sichtbaren Pandemie das richtige zu tun. Wir quatschten noch kurz bevor ich dann wieder nach unten ging. Leider hatten wir gar nicht richtig bemerkt, dass Kiki sich in der Zwischenzeit von uns verabschiedet hatte. Sie musste nach Hause, da sie nicht im Wohnheim bleiben darf und sich die nächsten Tage wohl ein Sturm anbahnt. Deswegen haben sie ihre Eltern sofort nach Hause bestellt. Aurora hat wohl noch mit ihr gefrühstückt aber das war's dann. Ich sag es immer wieder, ein surreales Gefühl was hier los ist. Erstmal was zu essen, das muss jetzt sein.

Leider weiß ich nicht mehr so richtig, ob ich mit ein paar anderen zu The Overlook gegangen bin oder ob wir unsere gekauften Sachen auf dem Zimmer aßen. Ich glaube sogar letzteres. Ich erzählte Peter, dass wir gerade unseren Rückflug gebucht haben. Ich fliege einen Tag nach ihm. Auch die meisten anderen hatten entweder schon ihren Rückflug oder dachten drüber nach. Krass, wie schnell sowas geht. Aber irgendwie auch krass, wie schnell man sowas als die neue Realität akzeptiert. Der Nachmittag dümpelte so vor sich hin. Bis wir uns zu unserer Standardbeschäftigung trafen: Sport! Heute war wieder Leichtathletik angesagt und diesmal kam neben Ema, Peter und Daniel auch Joaquin mit. Aurora lief auch noch ein Stück mit uns mit, bog aber dann in die Bibliothek ab um noch was zu erledigen. Wir liefen wieder rein ins Mackay Stadium (ich kenne jetzt sogar schon die Kombination!) und betraten die Umkleiden der Athleten. Ema nahm sich einen Hammer und eine Kugel und tat so als dürfe sie das. Heute sind mal andere Disziplinen dran. Als würden wir schon längst zum Team gehören, verließen wir ganz entspannt das Gelände und liefen wieder zur Leichtathletik-Anlage östlich des Campus. Wir starteten mit Hammerwerfen. Keiner außer die Athleten hatte das je gemacht. Ema zeigte uns die Technik und legte einige ganz passable Würfe hin, die sie natürlich als viel zu schlecht empfand. Dann waren wir dran. Ich sag mal so, meine Lieblingssportart wird das nicht mehr. :D Ich schaffte es zwar, den Hammer irgendwie zu werfen, aber er flog trotzdem nie da hin wo ich es wollte. Gottseidank gab es das Fangnetz! Dann war Kugelstoßen an der Reihe. Ema zeigte uns die Technik, die ich tatsächlich recht einfach fand. Jeder hatte drei Versuche und am Ende schlug ich mich besser als gedacht. Ich wurde Zweiter - natürlich hinter Joaquin. Dem konnte mit seinen Muskeln keiner das Wasser reichen. Er fand es allerdings viel spannender, sich mit Daniel zusammen den Fußball zwischendurch hin und her zu kicken. Dann ging es zu den Sprunganlagen, wo Peter unbedingt nochmal Weitsprung ausprobieren wollte. So entstand ein lustiges Video in dem er fast schon mit dem Gesicht voran im Sand landete. Ema lachte sich später mehrfach darüber kaputt. Auch ich versuchte es noch einmal mit richtig Anlauf, aber naja, eigentlich ist das nicht der Rede wert. :D Viel cooler war das, was uns danach einfiel. Auf der Anlage befanden sich zwei zugedeckte Hochsprungmatten mit zwei Ständern und einer Latte daneben versteckt. Natürlich mussten wir alles hervorräumen und es ausprobieren. :D Wir fingen mit Testsprüngen über eine sehr niedrige Latte an, woran Daniel schon scheiterte. Das hätte ich bei ihm wirklich nicht gedacht. Aber wenn man lange schnell laufen kann, kann man noch nicht unbedingt hoch springen. Wir legten die Latte immer höher und machten einen Wettkampf. Wenn man es nicht schafft, fliegt man raus. Das war meine Chance, auch mal in was gut zu sein. Springen geht bei mir und groß bin ich auch noch. Hochsprung muss ich doch also können. Und ich sag mal so, wenn man von meiner absolut unterirdischen Technik absah, sah das doch ganz gut aus. Ich riss kein einziges Mal die Latte und gewann somit auch das Finale gegen Peter! Ich, der mit zwei professionellen Leichtathleten und einem früheren Fußballspieler hier ist. Hat sich schon ganz gut angefühlt. ;) Natürlich gab es auch eine Siegerehrung bei der ich die deutsche Nationalhymne singen musste. Ich bin froh, wenn ich dieses Video nicht mehr sehen muss. :D Danach machten wir uns wieder auf den Rückweg. Es wurde schon wieder langsam dunkel. Da wir aber vorausschauend denken können und Lust auf Raising Cane's hatten, machten wir einen kleinen Umweg und kümmerten uns gleich um das Abendessen. Reggy und Diana bestellten per WhatsApp und so trugen wir kurz darauf 7 Essen die Virginia Street hinunter bis zur Sierra Hall.

Wir trafen uns wieder alle zusammen in Reggys Zimmer. Raising Cane's ist einfach himmlisch. Das werde ich schon irgendwie vermissen, auch wenn es natürlich total ungesundes Fast Food ist. Wir sprachen über alles was gerade so los ist und unter anderem erfuhr ich, dass Aurora morgen früh nach Hause fliegen wird. Über San Francisco nach Paraguay. Auch Reggy will nun mehr und mehr nach Hause und will zusehen, ob sie nicht noch einen schnellen Flug bekommt. Ema ist weiterhin ratlos wie sie nach Italien kommen soll. Lediglich Joaquin und Daniel wollen immer noch hierbleiben. Aber keiner hat mehr so richtig Lust drauf, immerhin sind wir anderen dann weg. Auch wenn es böse klingt, ich finde es sogar irgendwie gut, dass wirklich fast alle nun zurückfliegen werden bzw. wollen. Das gibt einen irgendwie das Gefühl, das richtige zu tun und man ist nicht so allein mit der Situation. Da wir gestern etwas schnulziges geschaut hatten, wollten Ema, Peter und Daniel heute wieder was gruseliges schauen. Ganz zum Ärger von Diana und Reggy, die das so gar nicht abkönnen. Aber sie hatten gestern schon ihren Willen und so suchten wir uns den erstbesten Trash-Horrorfilm auf Netflix raus und drückten auf Play. Ich weiß beim besten Willen nicht mehr welcher Film das genau war oder was drin vorkam aber es kann nur richtiger Trash gewesen sein. Ich weiß außerdem nicht mehr ganz genau was wir dann noch gemacht haben aber ich gehe davon aus, dass wir es dabei beließen und uns langsam wieder auf unsere Zimmer begaben. Auf dem Weg zurück unterhielten wir uns noch auf dem Flur und Aurora machte uns überraschend die Tür auf. Sie packte gerade und suchte noch nach einer Kofferwaage. Die hatte ich zum Glück und so kam ich noch für eine Weile mit ein paar anderen in ihr Zimmer. Sie hatte schon fast alles gepackt und ihr Koffer war restlos überfüllt - und somit auch zu schwer. Wir halfen ihr ein bisschen, das Ganze auf andere Taschen zu verteilen, aber hauptsächlich redeten wir auch bloß. Mann, das ist schon wieder so surreal. Aurora war die erste Person, mit der wir uns am Anfang so richtig angefreundet hatten und mit der dieser Freundeskreis quasi begann. Und das war nun das letzte Mal das wir uns sehen sollten. Zumindest vorerst! Wie der Titel dieses Eintrags schon sagt: Carpe diem! Man weiß nie was passieren wird. Irgendwann verabschiedeten wir uns dann und ich ging auf mein Zimmer wo ich mit Peter noch ein bisschen rumhing. Wir wollten irgendwie nicht schlafen gehen. Es passiert auch einfach viel. Das kann man gar nicht richtig verarbeiten. Vielleicht tun gerade deswegen ein paar ruhige Momente mal gut. Nicht um über alles nachzudenken, sondern einfach um ein bisschen Abstand von dem Ganzen zu nehmen und zur Ruhe zu kommen. Morgen wird der letzte ganze Tag für Peter und Jiwon werden. Auf dass es ein toller wird!

-

Musikempfehlung des Tages: Alanis Morissette - Ironic