15April
2020

Follow-up mit der Sierra-Gang

Wie ihr seht, werden die Blogeinträge weniger. Eigentlich ist das etwas komisch, da ich jetzt ja mehr Zeit haben sollte als in Reno. Es liegt wohl an der Motivation. In Reno habe ich jeden Tag etwas neues erlebt, das ich dann auch gleich mit der Welt teilen wollte. Hier passiert quasi jeden Tag das gleiche: Ich stehe (spät) auf, esse zu Mittag, vertreibe mir den Nachmittag, gehe ab und zu mal raus, trinke nachmittags Tee, esse dann zu Abend und vertreibe mir den Abend meist mit Hausaufgaben, The Office schauen (das geht von hier aus sogar!), Musik hören, auf Reddit rumbrowsen oder ähnliches. So viel passiert da wirklich nicht und da verliert man dann einfach auch ein bisschen die Motivation. Nichtsdestotrotz wird der Blog natürlich weitergeführt und ich werde euch immer wieder regelmäßige Updates liefern. Zusätzlich zu den alten Blogeinträgen, die ich schon längst mal updaten wollte, aber irgendwie immer wieder aufschiebe. Keine Sorge, kommt alles noch. Kann ja auch behaupten, dass das ein bisschen die Spannung aufrechterhält. :D

Ich habe mir heute mal gedacht, ein bisschen auf meine Freunde einzugehen und deren Wege nachdem das Semester so abrupt geendet hat. Auch wenn ihr die Leute nicht kennt, ist es eventuell doch interessant zu sehen, welche Schicksale die anderen Studenten (Amerikaner und Internationals) durch die Corona-Krise erlebt haben. Es zeigt, wie unterschiedliche Länder und unterschiedliche Familien mit dem Thema umgehen und da wir auch noch alle in Kontakt sind, sind sie neben den Vorlesungen der einzige Bezug den ich aktuell zu meiner Zeit in Reno habe. Legen wir also los:

- Diana (Deutschland): Wir sind zusammen zurückgeflogen und haben uns dann in Frankfurt getrennt, da sie in einen anderen Zug steigen musste. Ihre Familie hielt nicht viel von Quarantäne und so ist sie gleich wieder ganz normal zuhause eingezogen. Ich hab ein paar Fotos von Grillabenden und Geocaching-Touren bekommen und sie hat wohl gestern nach knapp 3 Wochen ihren Freund wieder sehen können. Es scheint ihr also gut zu gehen, würde ich sagen. :D Wir sind immer noch gelegentlich dabei, ein paar Dinge wegen verschiedener Rückerstattungen usw. zu klären. Gibt schöneres.

- Peter (Südkorea): Nach einem 31-Stunden-Flug von Reno über Salt Lake City (mit 11 Stunden Layover) über Seattle nach Seoul wurde er am Flughafen auf den Virus getestet, nachdem er eine laufende Nase hatte und daher verdächtig war. Er musste 24h in ein Hotel gehen und erfuhr danach, dass sein Test negativ war (gottseidank!). Seine Familie holte ihn ab in einem Auto, in dem die Rücksitze mit einer großen Plane von den Vordersitzen abgetrennt waren. Sie fuhren ihn gleich zum nächsten Hotel. Ja genau, seine Eltern haben ihm einfach so ein Hotelzimmer gezahlt, wo er erstmal in Quarantäne gehen soll. Er vertreibt sich die Zeit mit den Online-Kursen seiner koreanischen Uni und mit Netflix und Essen bestellen. Stand heute ist er immer noch im Hotel.

- Reggy (Philippinen): Sie ist ja mit uns nach San Francisco geflogen, wo wir uns dann sehr emotional trennen mussten. Es stellte sich heraus, dass ihr Flieger der letzte überhaupt war, der aus den USA in die Philippinen flog. Der Flug war zudem überbucht, sodass sich am Gate wohl unschöne Szenen abspielten. Am Ende wurde einfach abgezählt. Wer vorne in der Reihe stand hat Glück, die Leute am Ende der Schlange konnten nicht mit. Sie stand gottseidank weit vorne in der Reihe und bekam einen Platz. Sie kam gut bei ihrer Familie an und ließ etwa eine Woche später verlauten, dass ihre Eltern mittlerweile coronafrei sind (beide hatten nämlich den Virus). Sie backt vermutlich mehrmals täglich, wie man es auch nicht anders von ihr erwarten würde. Ihr Pandesal (googelt das mal) sieht super lecker aus.

- Joaquin (Chile): Er war ursprünglich der einzige zusammen mit Daniel, der komplett in Reno bleiben wollte. Das änderte sich als Nicolas, sein Zwillingsbruder, sagte, dass er aus Los Angeles zurückfliegen will. Da das aber so schnell nicht möglich war, fuhr Nicolas zu Joaquin nach Reno und die beiden suchten sich ein Zimmer im International House (das ist so eine Art Mietshaus mit vielen WGs, die extra für Internationals gedacht sind). Sie wohnten dort exakt einen Tag, denn es gab wohl spontan einen Flug nach Chile. Seit 2 Wochen sind beide wieder zuhause und langweilen sich in ihrem großen Haus mit Pool, das fast komplett leer ist, da sie es eigentlich verkaufen wollten, aber jetzt ja gerade niemand dran interessiert ist. Noch dazu geht in Chile die Wirtschaft den Bach runter. Ich glaube er wäre lieber noch länger geblieben trotz der Situation.

- Ema (Italien): Sie fand einen der raren Flüge nach Italien - über San Francisco und New York nach Rom. Zusammen mit einer anderen italienischen Athletin mietete sie sich ein Auto um zum Flughafen San Francisco zu fahren. Sie hatten 7 Stunden Aufenthalt in New York, wo niemand sonst im Flughafen zu sehen war, weil der Rom-Flug der einzige Flug überhaupt an dem Morgen war. In Italien wurden sie 2 Stunden lang kontrolliert und Ema wurde dann von ihrer Mutter und ihrer Schwester mit dem Auto abgeholt. Sie wurden zweimal von der Polizei kontrolliert, da drei Leute im Auto ja nicht erlaubt sind. Sie hatten aber wohl eine Sondergenehmigung. Ema musste sofort in häusliche Quarantäne und muss da auch erstmal mindestens bis Ende April bleiben. Sie muss leider oft bis tief in die Nacht aufbleiben, da ihre Kurse zu dieser Zeit stattfinden (ihr Aufbleibe-Rekord ist wohl 8:40 Uhr morgens). Sie vertreibt sich die Zeit ansonsten mit ihrer Schwester, Netflix und dem Traum, endlich wieder weiter rausgehen zu können als in ihren Garten.

- Jiwon (Südkorea): Sie ist zusammen mit Peter zurückgeflogen, wurde aber nicht am Flughafen getestet, sondern musste einfach nur so 14 Tage in Quarantäne. Ihre Eltern haben sie auch tatsächlich gleich wieder aufgenommen und sie macht jetzt ihre Online-Kurse von ihrer koreanischen Uni.

- Kiki (USA): Sie wohnt seitdem natürlich bei ihren Eltern. Ich glaube ihr macht das alles nicht so viel aus, außer das ihre Abschlussfeier nun versaut ist. Sie geht sogar aktuell oft zum Wildwasser-Rafting, wofür sie ja sogar Guide ist. Leider bleiben aktuell die Besucher aus, aber dann geht sie eben alleine oder mit ihrem Vater. Sie hat leider die schlechteste Zoom-Verbindung von uns allen. :D

- Daniel (Kenia): Er ist seiner Aussage treu geblieben, erst am Ende seines Studiums wieder zurück nach Kenia zu gehen. Er wohnt weiterhin in der Sierra Hall und ist nachdem Joaquin zurückgeflogen ist und sein Mitbewohner in ein anderes Zimmer verlegt worden ist, tatsächlich allein. Er geht zweimal am Tag zu The Overlook um sich Essen zu holen, läuft ein bisschen in der Nachbarschaft umher, aber viel mehr läuft außer Uni nicht wirklich. Naja, vielleicht wird sich das bald ändern wegen:

- Aurora (Paraguay): Sie wollte ja unbedingt nach Hause, nachdem ihr Freund auch geflogen war. Er sitzt leider aktuell in einer brasilianischen Grenzstadt fest, da Paraguay alle Grenzen dicht gemacht hat. Ein ähnliches Schicksal hat auch Aurora erleiden müssen. Sie fuhr zunächst mit dem Zug nach San Francisco, nur um festzustellen, dass ihr Flug gecancelt wurde und es keinen Ausweichflug mehr gab. Ganz zufällig hat sie in der Nähe von San Francisco eine Gastfamilie bei der sie vor einigen Jahren einige Zeit gelebt hatte. Die haben sie kurzerhand aufgenommen und seitdem wohnt sie dort. Gestern ließ sie allerdings verlauten, dass sie der Familie auch nicht komplett auf der Tasche liegen will und da ihr der Housing Service der UNR wohl wieder ein Zimmer angeboten hat, will sie nun in den nächsten Tagen wieder zurück nach Reno in die Sierra Hall ziehen. Ich bin gespannt. Auf jeden Fall hat Daniel dann bald wieder Gesellschaft. :)

- Brooke (USA): Sie wohnt seit Spring Break bei ihrer Familie in der Nähe von Sacramento. Leider konnten wir uns nie richtig von ihr verabschieden. Sie konnte bisher auch noch nicht offiziell aus der Sierra Hall ausziehen, da ihre Eltern sie nicht zurückfahren lassen. Das wäre an sich nicht schlimm, aber ihr Fisch ist noch dort und jetzt wo Reggy weg ist, füttert den niemand mehr. Neulich hatte sie Daniel gebeten, etwas zu unternehmen. Ich muss mal nachfragen, was draus geworden ist.

- Madi (USA): Sie wohnt auch bei ihrer Familie in der Bay Area und kümmert sich aktuell gut um unsere Fische, wofür ich ihr total dankbar bin. Sie will in Zukunft immer mal wieder ein paar Bilder schicken. Ich bin gespannt!

- Oli (Spanien): Nachdem sie ja recht spontan aus Reno abgeflogen war, kam sie gut in Spanien an und musste dort natürlich auch gleich in Quarantäne. Sie vertreibt sich die Zeit damit, lustige Videos zu schneiden und auf Instagram zu posten.

Natürlich gibt es noch viel mehr Leute, deren Story ich hier erzählen könnte, z.B. von Sarmat (weilt in New York), Thiha (noch in Reno), Momo (wieder in Japan), etc., aber ich hab es mal bei den Leuten belassen, deren Namen ihr öfters im Blog gelesen habt. Es ist schon komisch, jetzt so über die Leute zu schreiben, wenn man doch eigentlich im April so viele andere schöne Dinge zusammen in Reno vorhatte. Aber so ist es nun mal, das haben wir ja schon ausreichend durchgekaut. Ich finde es dennoch interessant zu sehen, wie unterschiedlich jeder diese Krise erlebt. Und ich bin gespannt, Ende dieser Woche wieder was von ihnen zu hören, denn da wollen wir wieder mal einen Videochat machen. Hoffentlich klappt das und wir können uns auf eine Zeit einigen. :P

Zu guter Letzt fehlt dann ja noch das Update von mir! Ich durfte mittlerweile aus meiner selbstauferlegten Quarantäne raus und kann als nun wieder in alle Stockwerke gehen und mit meiner Familie zusammen essen und persönlich mit ihnen interagieren. Zugegeben, es ist ein bisschen schwer, wieder zurück zur Normalität zu kommen. Das liegt aber nicht an den Umständen, sondern eher an mir. Die Quarantäne-Situation war immerhin etwas, das einem das Gefühl vermittelt hat, dass das Ganze wirklich ernst ist, dass gerade nichts normal ist und dass die Entscheidung, Reno zu verlassen, wohl richtig war. Wenn ich nun wieder einfach so weitermachen würde wie vorher, würde sich das nicht richtig anfühlen. Oder naja, was heißt schon richtig. Es wäre auf jeden Fall ein weiterer Schritt zurück in das normale Familienleben zuhause in der deutschen Provinz. Und irgendwas in mir sträubt sich dagegen. Das sollte alles gerade nicht so sein. Ich sollte Dinge erleben, mich weiterentwickeln, Spaß haben, Freunde treffen, Sport machen, die Welt entdecken, und so weiter. Und wenn nicht in Reno, dann wenigstens in Dresden oder wo anders. Nichts davon kann ich aktuell. Und wer weiß schon, wie lange das Ganze noch so weitergeht? Es ist einfach ein bisschen zu überfordernd. Da ziehe ich mich dann doch immer noch ganz gerne nach oben in mein Zimmer zurück und beschäftige mich in Ruhe mit irgendwas. Hausaufgaben gibt es ja genug zu tun, von The Office gibt's noch viele Folgen, auf Social Media ist immer was los und auch andere Aufgaben lassen sich immer finden. Damit bin ich gerade ganz zufrieden. Wobei ab und zu mit der Familie zu sprechen, zusammen zu essen und zum Supermarkt zu fahren (hab ich heute das erste Mal seitdem ich wieder hier bin gemacht! :D) auch ganz nett sind. Schauen wir also mal, das Ganze braucht einfach noch seine Zeit. Gesundheitlich geht's mir übrigens immer noch gut und das wird hoffentlich auf weiterhin so bleiben. Bis dahin, macht's erstmal gut! Ich melde mich bald wieder.

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Musikempfehlung des Tages: The Rembrandts - I'll Be There For You