27Mai
2020

Unisystem in den USA - allgemeine Laufbahn

Da hab ich mir was vorgenommen: das amerikanische Bildungssystem kurz und verständlich zu erklären! Ich weiß nicht inwieweit das möglich sein wird, aber da ich von Leuten aus allen Altersgruppen in Deutschland immer wieder Fragen gestellt bekomme ("Ist University und College das gleiche?", "Wie viel kostet das Studium wirklich?", usw.), ist es bestimmt nicht uninteressant, wenn ich mal ein bisschen genauer drauf eingehe. Anfangen will ich mit dem allgemeinen Aufbau des Schul- und Unisystems.

Um das Unisystem zu verstehen, sollte man zunächst das Schulsystem kennen. Und wenn man ein paar amerikanische Filme und Serien geschaut hat, weiß man da vermutlich schon vieles. In den USA beginnt man mit der "Primary Education". Diese sieht eigentlich ähnlich aus wie in Deutschland. Nach dem Kindergarten (übrigens auch ein Wort im Englischen) geht es mit 6 Jahren zur Primary oder Elementary School. Hier gibt es verschiedene Systeme - meistens ist man dort bis zur 4. Klasse, aber gelegentlich gibt es auch Modelle, die bis zur 5., 6. oder sogar zur 8. Klasse gehen. Danach folgt die "Secondary Education", meistens beginnend mit 4 Jahren Middle School (so eine Art Unterstufe) bis zur 8. Klasse. Im Anschluss wird wieder die Schule gewechselt und es geht auf die High School (quasi die Oberstufe). Wie schon gesagt, gibt es auch andere Modelle, aber ich will mich hier auf das gewöhnlichste beschränken. Die High School geht dann bis zur 12. Klasse und funktioniert eigentlich schon wie eine Uni bzw. wie die Oberstufe in Deutschland. Jeder hat seinen eigenen Stundenplan und besucht die Kurse die er möchte (neben ein paar Pflichtkursen). Am Ende bekommt man dann ein High School Diploma (das Äquivalent zum Abitur) und die Graduation wird gefeiert mit einer großen Zeremonie, so wie man sie aus den Filmen kennt. Ja, das wird nicht nur an Unis gemacht, sondern auch an den High Schools. Übrigens ist die Wahl der Schule für Familien eine wichtige Angelegenheit. Da Schulpolitik nicht Sache der Länder ist, sondern der festgelegten Schulbezirke, macht es teilwiese einen großen Unterschied, ob man nun auf der einen Seite der Stadt zur Schule geht oder auf der anderen. Auch Privatschulen gibt es viel häufiger als in Deutschland und die Frage, ob man sich für Public oder Private entscheiden soll ist nicht ungewöhnlich in den USA. Und nicht umsonst werden freistehende Immobilien auch gerne damit angepriesen, dass sie sich in einem guten School District befinden um junge Familien zu locken.

Damit wären wir bei der akademischen Laufbahn angekommen. Es ist gar nicht so unüblich, dass junge Leute nach der High School mit einer Uni-Ausbildung weitermachen. Die Kosten dafür sind oft enorm hoch, aber darauf will ich in einem anderen Blogeintrag genauer eingehen. Es gibt auch hier wieder verschiedene Möglichkeiten, die teilweise auch mit geringeren Kosten einhergehen. Bevor ich Einzelheiten erläutere, will ich zunächst auf den allgemeinen Aufbau der sogenannten "Postsecondary Education" eingehen. Ein Bachelor-Studium in den USA dauert in der Regel 4 Jahre. In dieser Zeit ist man ein Undergratuate Student, also jemand der noch keinen akademischen Abschluss hat. Auch hier gibt es jedoch andere Möglichkeiten. Viele Amerikaner beginnen nach dem Schulabschluss am sogenannten Community College. Das sind Hochschulen, oder Zweigstellen von Hochschulen, die von der Stadt finanziert werden und dementsprechend weniger Gebühren erheben. Hier kann man allerdings nur 2 Jahre studieren und bekommt am Ende ein Associate Degree. Dieses berechtigt einen zum Übertritt an eine größere Universität, wo man dann weitere zwei Jahre bis zum Bachelor-Abschluss studieren kann. Auch an der University of Nevada, Reno gab es viele Studenten, die vorher am TMCC (dem Truckee Meadows Community College in Reno) studiert haben und danach zur UNR gewechselt sind. Auch beim erfolgreichen Bachelor-Abschluss gibt es wieder eine große Graduation Ceremony, die ich dieses Semester zu gern gesehen hätte. Will man dann noch weiterstudieren, wird man Graduate Student und kann einen Master anstreben. Dabei studiert man generell noch ganz normal weiter, forscht aber schon eigenständig an einem bestimmten Thema und arbeitet dazu eng mit Forschern und Professoren zusammen. Am Ende nach 2 Jahren schreibt man entweder eine Arbeit oder aber auch eine Publikation oder gar nichts, wenn man die erforderlichen Credits schon so durch die Kurse erlangt hat (ähnlich ist es übrigens auch für Undergraduates). Dieses System in der sogenannten Graduate School, was einfach nur der Oberbegriff für die Ausbildung nach einem Bachelor-Abschluss ist, ist so forschungsorientiert, dass man sich auch von vornherein gleich für einen PhD entscheiden kann, also einen Doktor. In den USA braucht man keinen Master-Abschluss, um Doktor werden zu können. Es schadet aber nicht. Wählt man die Variante mit Master, geht es danach einfach weiter und man forscht quasi weiter an seinem Thema und muss gelegentlich in Fachzeitschriften publizieren. Bei der Variante ohne Master belegt man auch zu Beginn ein paar Kurse und macht dann eben einfach keinen Master-Abschluss. Insgesamt kann ein PhD bis zu 7 Jahre dauern. Dann erhält man das sogenannte Doctoral Degree - den Doktotitel quasi. Hat man dann immernoch Lust, im akademischen Sektor weiterzumachen, kann man noch einen Postdoc dranhängen. Dann arbeitet man quasi schon an der Uni als Forscher. Ziel ist hier meistens eine unbefristete Stelle als Wissenschaftler oder als Professor.

Aber wie kommt man denn nun an eine Uni und was sind die Voraussetzungen für die Aufnahme? Kann jeder einen Master oder PhD machen und was ist der Unterschied zwischen Unis wie Stanford oder Harvard und der UNR? Das an sich ist ein weiteres großes Thema, das sich gut für einen gesonderten Blogeintrag eignet. Allgemein ist das ganze Thema zu komplex, um es in einem Eintrag runterzuschreiben. Und man will die Leser ja nicht gleich mit langen unbebilderten Textpassagen langweilen. Auch ich habe lange gebraucht, um das alles zu verstehen und gebe auch keine Garantie auf 100%ige Richtigkeit meiner Aussagen. Es gibt in den USA einfach viel zu viele Sonderformen der Schul- und Hochschulausbildung. Aber ich denke, zumindest mal die üblichen Strukturen kennenzulernen ist schon recht interessant! Fand ich zumindest, als mir in Reno versucht wurde das alles zu erklären. :D

Eine Frage bleibt aber noch: Was ist nun der Unterschied zwischen College und University? Oben habe ich vom Community College erzählt, aber dann meist allgemein von Universitäten gesprochen. Also was nun? Die kurze Antwort ist: Es gibt keinen klar definierten Unterschied. Beziehungsweise gibt es zwar einige Konventionen, aber es gibt stets Ausnahmen. Was meine ich damit? Nun, zunächst einmal wird der Begriff "College" für alle Hochschulformen umgangssprachlich verwendet. Wenn man zur Uni geht, sagt man man geht aufs College, egal welche Hochschulform man nun meint. Quasi wie als wenn man in Deutschland sagt, man "studiert". Alle Hochschulen sind also irgendwo Colleges. Sie heißen aber nicht unbedingt so. Im Allgemeinen kann man sagen, dass große Hochschulen und solche mit besonders starker Forschung als University bezeichnet werden (wie z.B. die University of Nevada, die Stanford University oder die Florida State University). Das ist aber nicht immer so, da es auch große, forschungsstarke Hochschulen gibt, die sich College nennen (z.B. das Boston College). Andersherum kann man auch sagen, dass Hochschulen, die nur Associate Degrees oder Bachelor Degrees anbieten, eher als Colleges bezeichnet werden, so wie die oben schon angesprochenen Community Colleges. Bei den Community Colleges ist das glaube ich immer der Fall, aber wie man am Boston College sieht, gibt es auch hier wieder Ausnahmen was die höheren Abschlüsse betrifft. Man sieht also, es gibt Tendenzen, aber keine festen Regeln. Hinzu kommt, dass der Begriff "College" oft auch für die Bezeichnung von Fakultäten verwendet wird. Oft sieht es dann so aus, dass eine University aus mehreren Colleges besteht. Eine Fakultät ist aber natürlich keine separate Hochschule. Auch an der University of Nevada habe ich z.B. meine Kurse am College of Sciences absolviert, während meine Kollegen etwa am College of Business oder am College of Liberal Arts ihre Kurse hatten. Beim Begriff College kommt es also immer auf den Kontext an. Der Unterschied zwischen beiden Begriffen ist demnach wirklich nicht klar definiert und der Versuch, ihn in einem kurzen Abschnitt zusammenzufassen hat auch nicht wirklich funktioniert. Am Ende ist es auch gar nicht so wichtig welchen Begriff man nun verwendet. Zumal es ja auch Hochschulen gibt, die keinen der beiden Begriffe verwenden (wie z.B. das MIT). Wer sich das wohl ausgedacht hat...?

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