13März
2020

So schnell kann's gehen

Als ich heute aufstand ging es sofort mit News weiter. Ema schrieb hysterisch, dass allen internationalen Athleten geraten wurde, dass sie nach Hause fliegen sollen, da ihr Wohnheimplatz hier eventuell nicht gewährleistet werden kann. Das wurde dann wieder relativiert, als wir selbst zum Housing Office gingen und nachfragten. Bis zum 3. April ist erstmal alles sicher. Wir dürfen hierbleiben. Und danach wird geschaut, wie sich die Situation entwickelt hat. Hoffen wir mal das Beste!

Der nächste Schlag kam aber direkt hinterher: The Den wird nach Spring Break nicht mehr öffnen und nur wenige Essensmöglichkeiten auf dem Campus bleiben offen (The Overlook mit verkürzten Öffnungszeiten, Bytes, Pathways, die Läden in der Joe Crowley Student Union). Als ich also gegen 13 Uhr in die Mensa eintrat, sollte das mein letztes Mal gewesen sein. Unvorstellbar. The Den ist zu unserem sozialen Treffpunkt geworden. Quasi jeden Tag bin ich hier mindestens einmal hingegangen. Und das war's nun. Wir saßen uns nochmal alle zusammen an einen großen quadratischen Tisch. Die Mensa war merklich leerer als sonst. Es stimmte mich traurig. Nicht wegen der Essensmöglichkeit (das Essen war es oft auch gar nicht wert), sondern wegen der Veränderung. Aber naja, manchmal ist das eben so. Beim Herausgehen machte ich den Damen an der Kasse noch ein Kompliment für ihre Musikauswahl. Jeden Tag haben die eine andere Playlist aufgelegt und Musik aus allen unterschiedlichen Musikrichtungen gespielt. Da war für jeden was dabei. Bei den Hip-Hop-Playlists haben sie am Ende sogar nicht mal mehr die schmutzigen Wörter zensiert. Mutig! Das hat die ganzen Lunchs und Dinners jedes Mal aufgewertet. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich noch, dass wir nochmal abends hingehen würden. Niemand wies uns darauf hin, dass The Den heute schon um 19:30 Uhr schließen wird. So standen wir abends vor verschlossenen Türen. So schnell kann's gehen.

Wir gingen danach vorsichtshalber zum OISS um uns zu erkundigen, ob es für internationale Studenten irgendwelche Anweisungen gibt. Die wussten aber auch nicht mehr als wir und sagten uns, dass wir auf jeden Fall erstmal hierbleiben können bzw. sollen. Danach machten wir dann den oben schon erwähnten Besuch beim Housing Office. Das ließ das Paniklevel etwas sinken. Es ging zurück in die Sierra Hall, wo ich erstmal noch eine Hausaufgabe fertigstellen musste. Ja, auch in Krisenzeiten ist studieren angesagt. Ich schaffte das allerdings recht schnell. Nach ein bisschen chillen im Konferenzraum brauchte Joaquin eine Ablenkung und fragte ob jemand mit Klettern gehen will. Ich entschied mich, mitzugehen.

Das ist mein zweites Mal Bouldern und ich schaffte sofort die Schwierigkeitsstufen 0 und 1 (es geht bis 10). Eine 2 ist für mich schon eine Herausforderung. Ich versuchte es, schaffte es aber nicht. Joaquin zeigte mir was ich beachten muss. Beim dritten oder vierten Versuch konnte ich mich dann auf einmal überwinden und erreichte die Spitze. Wahnsinn, das hätte ich nicht gedacht. Dann wagten wir uns raus. BaseCamp (so heißt die Kletterhalle) verfügt über eine Outdoorkletterwand direkt über dem Reno Arch. Bei Eröffnung war es sogar die höchste künstliche Kletterwand der Welt. So hoch hinaus sollte es für uns heute nicht gehen, aber zumindest zu den niedrigeren Wänden, die auch etwa 10 Meter hoch waren. Draußen bouldert man natürlich nicht, sondern man klettert mit einer automatischen Sicherung. Ich musste sie einmal austesten um ihr vertrauen zu können. Sie greift nämlich erst wenn man schon ein bisschen gefallen ist. Die erste Sekunde in der man sich wie im freien Fall fühlt kann einem da schon Angst machen. Ich versuchte einen der leichteren Parkours, aber schaffte es irgendwie nur zur Hälfte. Es wollte einfach nicht. Joaquin schaffte seinerseits auch den schwereren Parkours nicht. Wir gingen zur anderen Seite wo ein viel einfacherer Parkours auf mich wartete. Ich schaffte es bis ganz nach oben und Touristen winkten mir von unten zu. Nun da ich zum ersten Mal auf 10m-Höhe war, war es doch was anderes sich einfach fallen zu lassen. Aber es funktionierte. Ich versuchte sogar nochmal eine höhere Schwierigkeitsstufe und schaffte auch das. Ich werde zwar glaube ich nicht zum Kletterfuchs, aber es hat schon was, wenn man dann da oben angekommen ist. Wir ruhten uns innen ein wenig aus und beschlossen dann zu gehen. Ema und Reggy, die eigentlich nachkommen wollten, sagten beide ab und wir wollten noch in die Mensa gehen. Auf dem Rückweg wurde ich von Diana angerufen, die uns die Nachricht über die Schließung von "The Den" überbrachte. Wir konnten es nicht glauben.

Joaquin holte sich zwei Brötchen von der Tankstelle und ich begab mich in den Konferenzraum, wo ich mit Diana und Reggy was von Chipotle bestellte. Wir philosophierten noch ein wenig über die Situation. Ema kam wohl nur deswegen nicht mit zum Klettern, weil Carla unbedingt nochmal zum großen N (ja, es gibt tatsächlich ein großes N das auf den Berg nahe des Campus gemalt wurde) laufen wollte, bevor sie fliegt. Ja richtig, Carla hat sich schon entschieden zurürck nach Spanien zu fliegen. Am Montag soll es losgehen. Es ist krass, wie schnell sich hier alles verändert. Ich lief mit Reggy, Peter und Ema noch zu Walgreens um Eis zu holen und letztere holten sich auch noch was von Roberto's. Beides wurde genüsslich im Konferenzraum verzehrt. Jetzt kann man es ja auch krachen lassen. Wir verabredeten uns für morgen zum Shoppen gehen. Warum auch nicht?

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