17Juni
2020

Unisystem in den USA - Voraussetzungen & Ablauf

Willkommen zu Teil 3 meines Versuchs der Erläuterung des amerikanischen Unisystems. Vermutlich ist das der letzte Teil, aber wer weiß das schon so genau. Dieses Thema ist so vielseitig, dass man bestimmt noch 10 weitere Blogeinträge drüber verfassen könnte. Heute will ich auf die Zugangsvoraussetzungen und den allgemeinen Ablauf hinsichtlich Notengebung und Credits an US-Unis eingehen.

Um an einer bestimmten Uni studieren zu können ist zunächst ein vorhandenes High School Diploma vorzuweisen und die Endnote ist für viele Universitäten wichtig. Noten an High Schools aber auch an Unis werden als sogenanntes GPA (Grade Point Average) angegeben. In jedem Kurs sammelt man Punkte und es gibt ein Schema das festlegt, wie viele Punkte man braucht für ein A, für ein A-, für ein B+ usw. bis runter zum D. Schafft man die Anforderungen für ein D nicht, bekommt man ein F und der Kurs gilt als nicht bestanden. Bekommt man aber ein A hat man ein GPA von 4,0 (der höchste Wert). Kann man ein 4,0 GPA vorweisen, kommt man folglich schon mal überall besser rein. Grob kann man sagen, dass ein GPA höher als 3,25 als besonders gut bezeichnet werden kann. An Unis gibt es bei der Graduation ja noch Auszeichnungen wie "summa cum laude" etc. Die werden nur an die allerbesten Studenten vergeben. Um ein "summa cum laude" zu bekommen brauchte man an der UNR bzw. an den meisten Colleges ein GPA zwischen 3,94 und 4,0. Ich merke ich vermische hier einiges, da ich jetzt quasi vom Übertritt auf die Uni zum Abschluss an der Uni gesprungen bin. Aber wenn schon das Konzept GPA erklären, dann kann man auch gleich auf alles eingehen. Ich habe z.B. in meinem Semester an der UNR auch ein GPA von 4,0 erreicht. :)

Ein weiterer Faktor, den Unis heranziehen um ihre Bewerber zu selektieren sind standartisierte Leistungstests. Entweder ist das der SAT oder der ACT, den Schüler noch an der High School schreiben. Darin werden allgemeine Dinge wie Englisch, Mathe, Lesen, Schreiben, etc. geprüft. Sie haben aber auch oft eine fachliche Komponente, speziell zugeschnitten auf den Bereich in dem der Schüler studieren will. Anhand des SAT- oder ACT-Testergebnis sieben dann vor allem die guten Unis ihre Bewerber aus. Für Harvard braucht man z.B. mindestens einen SAT-Score von 1450 (von 1600 möglichen Punkten) oder einen ACT-Score von 33 (von 36 möglichen Punkten). Wenn man bedenkt, dass die Durchschnittsergebnisse der Tests in etwa bei 1060 (SAT) und 21 (ACT) liegen, ist das schon viel. Aber so wird eben ausgesiebt. Harvard hat insgesamt eh nur eine Akzeptanzrate von knapp unter 5%. Das heißt man muss schon wirklich was auf dem Kasten haben, denn nur 5% aller Bewerber werden angenommen. Die höchsten Anforderungen bei diesen Tests stellt übrigens das Caltech in Pasadena (wer kennt es nicht aus The Big Bang Theory?). Dort müssen Bewerber einen SAT-Score von 1530 und einen ACT-Score von 35 vorweisen. Zum Vergleich, an der UNR benötigt man entweder 1120 Punkte (SAT) oder 22 Punkte (ACT). Die Akzeptanzrate liegt an der UNR bei etwa 88%.

Hier ist aber zu erwähnen, dass "durchschnittliche" Unis wie die UNR schon in erster Linie auf das GPA schauen (das in der Regel etwa bei 3,0 liegen muss). Erst wenn man das nicht erfüllt, kommen SAT oder ACT ins Spiel. Und noch bei einer anderen Gruppe sind diese Tests wichtig: bei internationalen Studenten. Wenn jemand, der an keiner amerikanischen High School war in den USA studieren will, kann er ja kein direktes GPA vorweisen und muss daher einen der beiden Tests ablegen. Für mich als Austauschstudent war das nicht nötig, aber z.B. für die Athleten. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Ema, die erzählt hatte, dass sie gerne an eine Uni mit höherem akademischen Anspruch gegangen wäre, aber ihr SAT-Score nicht gut genug war. Da sieht man, dass auch Athleten in den USA sich nicht auf ihrem Sporttalent ausruhen können. Naja, zumindest nicht wenn ihnen akademische Leistungen auch wichtig sind. Natürlich sind GPA, SAT und ACT aber nicht die einzigen Dinge die über eine erfolgreiche Bewerbung entscheiden. Oftmals können Empfehlungsschreiben, Bewerbungsgespräche oder Arbeitsproben helfen, sich bei der Uni beliebt zu machen. Und nicht zuletzt zieht auch an amerikanischen Unis stets ein gewisses Vitamin B. Gerade wenn die eigenen Eltern, Großeltern oder Geschwister schon an einer bestimmten Uni studieren oder studiert haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man selber auch reinkommt sehr hoch. Immerhin ist man mit so einer Familiengeschichte auch weniger dazu bereit, nach einer Zusage wieder abzuspringen.

Ist man dann einmal an einer Uni angenommen geht das Studieren los! Wie es dann mit der Notengebung aussieht hatte ich ja oben schon erklärt. Und auch den allgemeinen Ablauf der akademischen Laufbahn (z.B. 4 Jahre bis zum Bachelor, Fall/Spring Semester mit optionalem Summer Semester, danach Master/Postdoc etc.) habe ich in vorherigen Posts schon erwähnt. Von daher wird dieser Abschnitt wohl doch kürzer als gedacht. Was aber noch ziemlich interessant ist, ist wie man allgemein Leistungen ablegt und in welchen Fächern. Nehmen wir z.B. ein normales Bachelorstudium. Um das abschließen zu können benötigt man an der UNR 120 Credits. Wie schon in einem vorherigen Post erwähnt, sind 15 Credits pro Semester in etwa der Standard. Wie man diese erreicht ist einem allerdings zum größten Teil selbt überlassen. Man muss nicht unbedingt eine Abschlussarbeit schreiben wie in Deutschland. Man hat auch nicht die eine Abschlussprüfung am Ende des Studiums oder am Ende eines bestimmten Kurses. Vielmehr werden Prüfungsleistungen aufgeteilt in Midterms und eine Final Exam am Ende, die aber meist genau den gleichen Umfang hat wie eine Midterm Exam. Viele Studenten an der UNR hatten in ihren Kursen 4 Prüfungen im Semester. Alle nicht allzu groß und gleich wichtig. Finde ich persönlich eigentlich gut, dass man das ein bisschen entzerrt und nicht den ganzen Druck aufs Ende legt. Außerdem wird ein Großteil aller Punkte in den Kursen auch durch regelmäßige Hausaufgaben und Seminararbeiten erbracht. So ist man quasi gezwungen am Ball zu bleiben und es wird nicht so ein großer Fokus auf Prüfungen gelegt im Vergleich zu Deutschland. Das ist auf jeden Fall eines der Dinge, die ich besser finde als bei uns. Und das will ich an dieser Stelle auch mal klar machen. Ich habe in den letzten Posts über das Unisystem viel negatives erzählt bzw. es so klingen lassen. Eigentlich mag ich das System aber sehr gerne! Klar, die Kosten und dieses standardisierte Testen könnte man weglassen, aber der generelle Aufbau gefällt mir. Keine großen Abschlussprüfungen, weniger Druck, keine Zeit zum Prokrastinieren, 4 Jahre Bachelor, 1-2 Jahre Master mit Einblick in die Forschung, PhD als Student und nicht als Angestellter. Finde ich auf jeden Fall angenehmer und logischer aufgebaut! Und nun kommt zum Abschluss die Sache, die ich am absolut besten finde: große Freiheit bei der Kurswahl. Wenn ich mich in Deutschland für ein Studium entscheide, muss ich mich vorher für ein Fach entscheiden und bekomme dann einen Plan von Kursen, die ich absolvieren muss, die da und da stattfinden und die ich am besten in diesem und jenem Semester besuchen sollte. Ein paar Wahlpflichtmodule sind dabei und meistens ein Modul, dass "Schlüsselqualifikationen" oder so ähnlich heißt. Die Auswahl die man darin aber hat ist auch stets begrenzt. Und jetzt blicken wir nach Amerika: Dort kann man sich an der Uni bewerben und fängt einfach an zu studieren. Ja aber was? Genau das was man will. Viele US-Unis erlauben den Studenten erst nach 1 oder 1,5 Jahren ein Hauptfach zu wählen. Das heißt man hat zu Beginn erst einmal die Chance in die Breite zu studieren und die Kurse zu belegen, die man für interessant oder für sinnvoll hält. Natürlich empfiehlt es sich, je nach Präferenz einige Grundlagenkurse (z.B. in Mathe, Englisch, Business, etc.) zu belegen, da es auch in den USA in allen Fächern Pflichtkurse gibt, die man abgelegt haben muss, zum Teil auch als Voraussetzungen für andere Kurse. Das sind aber bei weitem nicht so viele wie in Deutschland und man hat neben diesen Grundlagenkursen (die man zu dem Zeitpunkt quasi freiwillig wählt) eben auch die Möglichkeit, ein paar andere Kurse zu besuchen, die einen interessieren und in die man mal hineinschnuppern möchte. Die dort erworbenen Credits zählen auch zu den Gesamtcredits am Ende dazu, selbst wenn man sich nach einem oder anderthalb Jahren dazu entscheidet, etwas völlig anderes als sein Hauptfach zu wählen. Natürlich kann man auch gleich schon zu Beginn sein Hauptfach wählen, aber es gibt eben diese Option und viele Studenten machen davon Gebrauch (soweit ich weiß z.B. alle Athleten die ich kennengelernt habe). Hat man dann irgendwann sein Hauptfach (Major) gewählt, kann man noch dazu ein Nebenfach (Minor) wählen, ähnlich wie das an manchen Unis in Deutschland ist. Dabei ist es egal ob das Nebenfach nützlich für die berufliche Karriere ist oder ein reines Hobby ist. Ebenfalls gibt es stets die Möglichkeit, sein Hauptfach (oder sein Nebenfach) zu wechseln. Das wird besonders oft gemacht, wenn man sich innerhalb seines Fachs umorientieren will. Viele thematisch ähnliche Hauptfächer haben sowieso die gleichen Pfichtkurse und warum dann nicht einfach wechseln, wenn man merkt, dass die andere Richtung doch eher zu einem passt? Flexibilität wird an US-Universitäten wirklich groß geschrieben. Und genau daran fehlt es in Deutschland und vermutlich auch in ganz Europa. So viel wie man amerikanische Unis (zurecht) kritisieren darf, so viel Vorteile bietet ihr System meiner Meinung nach, da es jedem Studenten die Möglichkeit gibt, einfach und unkompliziert seinen Weg zu finden. Man wird eben nicht einfach reingeworfen und muss dann das und das machen um den Abschluss zu bekommen und wenn man unzufrieden ist muss man auch nicht gleich abbrechen und von vorne beginnen. Ich hätte mir rückblickend ein solches System lieber gewünscht als das deutsche bzw. europäische. Von daher an dieser Stelle: Hut ab, USA! Ich glaube wirklich, dass das ein großer Grund ist warum Amerika akademisch sehr oft an der Spitze steht. Und Geld natürlich. :)

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