29Januar
2020

SLUB life - auch in Nevada

Ein entspannter Tag stand vor der Tür - dachte ich zumindest. Ich schlief aus, duschte gemütlich und als ich fertig war, kam Parker schon wieder zurück von seiner ersten Klasse (mittwochs und freitags habe ich den Morgen sonst für mich alleine). Ich hatte eigentlich vor, den Rest meiner Diskussionsvorbereitung bis morgen so früh es geht fertigzustellen. Stattdessen ging ich gegen 12 Uhr direkt in Richtung Mensa. Beziehungsweise nicht direkt, denn ich war etwas früh dran. Ich füllte die Zeit damit, nochmal im Scrugham Engineering and Mines Building vorbeizuschauen und mir die Geodäsie-Abteilung anzuschauen. Ich fand das Büro von Prof. Geoff Blewitt, dessen Namen ich nur zu gut kannte. Wir hatten im Masterstudium eine Vorlesung die fast komplett auf einem seiner Paper aufbaute und hatten dazu noch ein Projekt. Dadurch dass ich das in meiner Bewerbung für dieses Auslandssemester erwähnen konnte, wurde ich vielleicht sogar bevorzugt angenommen. Beziehungsweise glaube ich das gerne. :D Ich schaute mich weiter um und sah interessante Artikel und schöne Karten an den Wänden hängen. Ich blieb so lange im Gebäude, dass ich sogar zu spät in die Mensa kam. Ich habe leider keine konkrete Ahnung, wie ich mit den Leuten vom Nevada Bureau of Mines and Geology (der Name des Lehrstuhls) in Kontakt kommen soll. Ich könnte ja einfach mal klopfen, aber was sage ich denn dann? Ich kann bestimmt keine fachliche Diskussion führen. Schade, dass es keine Kurse gibt, die über diesen Lehrstuhl laufen.

Naja, ich ging in die Mensa wo es heute Soft Tacos gab und ich aß wieder viel zu viel. Als die anderen wieder aufbrachen, musste ich mich leider von ihnen verabschieden, da ich in die Bibliothek gehen wollte und nicht in die Sierra Hall (ich werde in Zukunft vermutlich weniger über das Mensa-Essen schreiben, ist ja oft das gleiche). In der Library angekommen kam dann die Ernüchterung: Das Paper das wir lesen und morgen drüber diskutieren sollen ist ganz schön lang und gerade das Kapitel das die Graduate Students besonders betrachten sollen hat am wenigsten mit Geographie zu tun, sondern mehr mit Physik und Chemie. Insgesamt war das Thema ja ganz interessant. Es ging um das Faint Young Sun Problem, zu dem es immer noch keine richtige Lösung gibt. Das Problem beschäftigt sich mit der Frage, warum die Erde in ihren Anfangsjahren (vor etwa 2-3 Milliarden Jahren) nicht komplett gefroren war, weil zu dieser Zeit die Strahlungsenergie der Sonne noch nicht so hoch war wie heute. Die Erde hätte also gefrieren müssen, ist sie aber nicht. Es gibt viele verschiedene Theorien, die alle irgendwie Sinn ergeben, aber am Ende doch irgendwie doch widerlegt werden. Das war eigentlich die Kurzzusammenfassung des Papers. Es war aber so unverständlich geschrieben, dass ich mich förmlich durchquälen musste. Und morgen muss ich ja darüber diskutieren können, also muss ich es auch verstehen.

Das Geography Colloquium, das ich um 16 Uhr hatte, kam mir da als Pause ganz gelegen. Heute fand der erste Vortrag statt. Eine türkische Wissenschaftlerin sprach mit einer in Reno ansässigen Kollegin über den politischen Konflikt in den Kurdengebieten der Osttürkei, speziell über die urbanen Veränderungen im historischen Stadtteil Sur der Stadt Diyarbakir. Zwar ein bisschen hölzern der Vortrag, aber schon auch interessant. Die durch Terror zerstörten Straßen in Sur sollen laut türkischer Regierung zu modernen Touristengebieten wiederaufgebaut werden. Dabei verschwinden natürlich geschickt die Merkmale der kurdischen Tradition. Hartes Thema, aber interessant. Ein humangeographisches und geopolitisches Problem. Nach dem Vortrag hatte ich mir sogar überlegt, eine Frage zu stellen, aber es war nicht unbegrenzt Zeit und so kam ich nicht dran.

Naja, ich ging wieder zurück in die Library und schrieb einen kurzen Abschlussbericht (2 Absätze) mit meiner Frage zu dem Thema. Immerhin mussten wir hier auch etwas abgeben, was dann bewertet wird. Allerdings ist das super easy und der Dozent meinte, dass Anwesenheit wichtiger ist. Als ich das also fertig hatte, wandte ich mich wieder dem Faint Young Sun Problem zu und den möglichen Auswirkungen von Ammoniak, Methan und Kohlenstoffdioxid. Gar nicht mal so spannend. Da ich mir ein Limit gesetzt hatte, was ich bis zum Abendessen schaffen will, kam ich zu spät in die Mensa. Ich aß was asiatisches, was aber heute eher so semi gut war. Peter und Reggy probierten wieder meine Kopfhörer aus und beide fanden es super. Keine Ahnung warum Peter 200$ für Apple Earpods ausgegeben hat, wenn man auch besseres dafür bekommen kann. :P

Auch nach diesem Essen ging ich nochmal in die Library. Ich quälte mich bis zum Ende und hatte um kurz nach 22 Uhr endlich alles fertig. Verstanden hab ich immer noch nicht alles über das ich morgen reden soll, aber zumindest hatte ich einen vollständigen Notizzettel, den ich abgeben kann. Ich druckte diesen noch aus und scannte nebenbei noch die unterschiebene Bestätigung für mein Stipendium ein (kostenlos überraschenderweise). Dann ging ich endlich zurück in die Sierra Hall. Ich war heute bestimmt 6 Stunden in der Bibliothek. Das sind Zeiten, die ich sonst bei einigen Projekten auch in der SLUB erreiche. Man sieht also: Man ist zwar in Nevada, in der Glücksspielstadt Reno am Fuße der Sierra Nevada aber man macht als Student trotzdem das Gleiche wie wo anders auch.

Der Tag nahm aber noch ein schönes Ende. Da die anderen während ich nicht da war, kurz mit Dianas Mitbewohnerin Madi auf ihren 21. Geburtstag angestoßen haben, war noch ein bisschen Alkohol im Raum. Es trafen sich also alle bei Diana und ich trank ein IPA, das gar nicht mal so gut war. Aber es war eine nette Runde. Ich ging mit Reggy zwischendurch zu Insomnia Cookies und holte für jeden von uns einen frischen Cookie. Meiner war sogar so frisch, dass er wie kinetischer Sand in der Hand zerfiel. Er schmeckte ehr gut, auch wenn mir der Besitzer immer noch komisch vorkommt mit seinem deutschen Tattoo in althochdeutscher Schrift. Am Ende kam Aurora mit ihrer Mitbewohnerin Shaela vorbei, die ich noch nicht kannte. Sie schien super relaxt und lud uns gleich mal morgen zum Essen ein, das sie selber kochen will. Sie spricht allerdings sehr schnell Englisch, sodass vor allem Joaquin Probleme hatte ihr zu folgen. Aber so ist es eben eine Herausforderung! :D

Damit war's das für heute. Morgen wird es bis 15 Uhr ein blöder Tag, da ich bis dahin ab 9 Uhr ununterbrochen Uni habe. Und wie gesagt werde ich morgen bewertet danach, wie gut ich über das Faint Young Sun Problem diskutieren kann (nicht wie viel ich weiß, sondern wie gut ich diskutiere). Ach ja und morgen ist die erste Programmierstunde in Numerical Modeling. Mal sehen was wir da machen und wie schwer das wird, auch im Hinblick auf meine etwas fortgeschrittenen Mitstudenten und auf das erste Assignment. Naja, da muss ich durch. Lieber alles auf einmal, dann hat man's weg. Until tomorrow!

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Musikempfehlung des Tages: Billie Eilish - everything i wanted