20März
2020

Train to Taco Bell

Der Tag fing mal wieder mit einem nicht allzu schönen Gespräch mit den Eltern an. Es wird mir nun wiederholt nahegelegt, nach Hause zu kommen. Es scheint sich alles langsam zu wenden. Auch wenn ich mir nach wie vor Meinungen einhole und die Entscheidung so klar wie möglich treffen möchte, habe ich den Eindruck, dass die Situation mich gerade einholt. Ich machte mit mir aus, auf Diana zu warten und dann zu entscheiden. Wenn dann fliege ich nämlich mit ihr zurück, das wäre besser und sicherer. Zeitgleich kam eine Mail vom Housing Service an. Alle Studenten können nun doch ihre Sachen ganz normal bis Mai in den Wohnheimen lassen und müssen nicht bis zum 25. März draußen sein. Toll, das kommt leider ein bisschen spät. Die Hälfte der Studenten hat sich eh schon auf den Weg nach Reno gemacht, um ihre Sachen abzuholen. Viele Leute die zur gleichen Zeit zu einem Fleck reisen - perfekt in diesen Zeiten! Naja, wir werden immer noch am 25. eventuell verlegt. Es darf aber jeder in den Wohnheimen wohnen bleiben, wenn er einen Grund hat. Nur wird er wie gesagt eventuell verlegt.

Es war mittlerweile schon wieder mittags und ich ging zusammen mit Peter zu The Overlook. Es war mal wieder fast nichts los. Heute wollte ich nicht schon wieder die sättigenden Nudeln nehmen und entschied mich daher für was leichtes - einen abgepackten Salat. Peter tat es mir gleich. Wir konnten uns natürlich nicht hinsetzen, daher hatte Peter die Idee rüber zum PSAC (Pennington Student Achievement Center) zu laufen und uns dort reinzusetzen. Jiwon und ihre japanische Freundin Yuzuki waren nämlich auch da. Wir setzten uns hinter die beiden an einen Zweiertisch. Später kam noch Joaquin dazu. Der Salat war okay, aber es war halt ein vorgefertigter. Wir philosophierten noch über dies und das und machten uns irgendwann wieder auf den Rückweg.

Es brach wieder diese Phase am frühen Nachmittag an, wo sich noch keiner treffen will, weil alle in irgendeiner Form mit der aktuellen Situation beschäftigt sind. So ließ z.B. Ema verlauten, dass sie ihren ursprünglichen Rückflug nicht erstattet bekommt, da Delta das nur bis Mai macht und ihr Flug am 1. Juni gewesen wäre (telefonisch ist eh keiner zu erreichen). Außerdem hat sich Kiki nun wegen der ganzen Unsicherheiten dazu entschlossen, morgen wieder zurück zu ihrer Familie zu fahren. Ich setzte mich natürlich auch wieder an den Rechner um ein bisschen was zu klären. Ich schrieb 2 längere E-Mails an meine Auslandskrankenversicherung (was im Falle einer Virus-Infizierung passiert) und an das OISS (was sie mir raten würden und was ich bei einer vorzeitigen Rückreise beachten muss). Dazu kamen auch noch wieder ein paar Mails zurück und WhatsApp muss man ja auch immer ein bisschen bedienen. Bis das alles erledigt war, war es auch schon wieder später Nachmittag. In der Gruppe wurde sich wieder besprochen, ob man nun wieder zu den Sportanlagen gehen sollte oder ob das schon zu spät ist. Reggy und Ema wollten nämlich auch auf jeden Fall noch zu Walmart fahren. Da keiner so richtig in die Gänge kam, wurde der Sport am Ende auf morgen verschoben und ich schloss mich spontan der Walmart-Truppe, bestehend aus Reggy, Ema und Daniel, an. Ich brauchte zwar nicht wirklich was, aber mir war so langweilig und rauszugehen (egal wo hin) tut aktuell sowieso gut.

Wir fuhren diesmal nicht mit Uber sondern mit Lyft. Das lag daran, dass Ema das Auto rief und sie bekommt über Lyft wohl ein paar Bonusmeilen bei Delta. Uber und Lyft sind sich aber generell so ähnlich, dass fast alle Fahrer bei beidem angemeldet sind. Außerdem fuhren wir nicht zum etwas näheren Walmart in der 2nd Street, sondern zum deutlich größeren Walmart am McCarran Boulevard, in dem ich bisher nur einmal war - zu Beginn mit Diana wo wir den Bus genommen hatten und nachts mit Kissen in der Hand wieder zurückgefahren waren. Wobei, stimmt gar nicht. Wir waren hier auch kurz vor Joaquin's Geburtstagsfeier um einzukaufen. Da nahm uns Madi mit. Na gut, tut ja auch nichts zu Sache. Wir kamen an und teilten uns sofort auf. Ich holte mir noch ein bisschen was zu trinken (diesmal gab es noch knapp 10 große Behälter Wasser!), was zum Snacken, Äpfel und den Rest weiß ich schon gar nicht mehr. Für Peter sollte ich ein paar sehr amerikanische Süßigkeiten holen, die er dann mit nach Südkorea nehmen kann und seiner Familie zeigen kann. Ich stand ewig vor dem Oreo-Regal und machte Fotos. Am Ende entschied er sich für zwei Packungen Double Stuf. Ich ging außerdem noch einmal komplett durch den Laden (also auch in die Sport-, Mode-, Hygiene-Abteilungen, etc.) und schaute mir alles an. Am Ende sah ich ein paar Nevada-T-Shirts, die schlicht und schön aussahen und nur 12$ kosteten (günstig, wenn man es mit dem Wolf Shop vergleicht). Gut, es war ja auch Walmart. Aber egal, dachte ich mir und nahm das Shirt auch noch mit. Reggy und Daniel ließen sich davon inspirieren und nahmen auch noch ein bisschen billiges Nevada-Gear mit. Heute waren übrigens wieder einige Leute im Walmart und auch wenn manche Regale voller waren als letztes Mal, waren dafür andere erstaunlich leer. Immerhin gab es Desinfektionstücher am Ein- und Ausgang. Naja, schauen wir mal, wohin das Ganze noch führt. Wir gingen durch den Self-Checkout und standen kurz darauf mit einer Menge Plastiktüten vor dem Laden. Wir realisierten, dass wir ja mitten in einer Shopping-Plaza standen - das ist meistens eine Ansammlung von vielen Geschäften und Restaurants am Rande der Stadt. In diesem Fall hatten wir Panda Express, Taco Bell, Burger King, Chili's, KFC, Jack in the Box und vieles mehr vor der Nase. Wir beschlossen, uns gleich um das Abendessen zu kümmern. Reggy stand der Sinn (wie fast zu erwarten bei ihr) nach Panda Express. Als wir den Laden betraten, fiel uns auf, dass der Gastraum stark leergeräumt worden war und sich kleine blaue Quadrate auf dem Boden befanden. Wir brauchten ein paar Sekunden um zu verstehen, was los war. Es war nur noch Takeout möglich und die Quadrate sind die Stellen, auf die man sich stellen soll, wenn man ansteht. So wird Social Distancing umgesetzt. Gar nicht mal so doof! Als später etwas mehr Leute in den Laden kamen, wurde aber deutlich, dass das Ganze nicht unbedingt viel Sinn macht, wenn man nach dem Hereinkommen sich erstmal an den restlichen Leuten vorbei bis zum Ende der Schlange kämpfen muss. Reggy bestellte sich ihr Essen und nahm auch gleich was für Peter mit, der sich per WhatsApp gemeldet hatte. Daniel holte sich auch noch was. Im Anschluss war ich dran mit Entscheiden. Ich wollte nicht schon wieder zu Panda Express und entschied mich daher für Taco Bell. Dort angekommen stellten wir dann aber fest, dass Taco Bell ein härteres Konzept fährt. Keiner darf mehr in den Laden rein. Nur noch der Drive-In ist geöffnet. Da wir aber nun schon dort waren und auch Joaquin geschrieben hatte, dass ich ihm was mitbringen soll, lief ich einfach zum Lautsprecher in der Drive-In-Einfahrt. Fühlt sich super komisch an. :D Zunächst meldete sich keiner. Nachdem aber das nach mir kommende Auto bestellt hatte, fragte mich auf einmal eine Stimme, ob mir weitergeholfen werden kann. Ich erklärte, dass wir nur zu Fuß da sind und aber trotzdem gerne bestellen wollen. Der freundliche Mann sagte, dass er für uns eine Ausnahme machen kann und die Tür aufschließen kann. Das tat er und wir traten ein - nur um nach einer Sekunde eine erboste Stimme aus dem Hintergrund zu hören, die den besagten Mitarbeiter zusammenschiss. Es dürfen wirklich keine Leute mehr rein und da darf auch für uns keine Ausnahme gemacht werden. Hm, na gut. Uns wurde aber versichert, dass wir trotzdem am Drive-In-Schalter bestellen können. Also gingen wir wieder raus und ich lief nochmal zum Schalter. Aber ich hörte nichts. Niemand meldete sich. Ich dachte, dass mich das System vielleicht nicht erkennt und lief ein bisschen umher, um eventuell von irgendeinem Sensor erfasst zu werden. Aber nichts passierte. Immer wenn ein Auto kam, verzog ich mich wieder. Da funktionierte die Sprechanlage aber immer tadellos. Immer wenn ich danach wieder hinging, blieb es wieder still. Komisch, die wussten doch, dass ich da war? Nach vier kläglichen Versuchen, ließ ich es gut sein und wir vermuteten, dass die Betreiber uns absichtlich nicht bedienen wollten, da wir vielleicht zu dubios erschienen. Naja, deren Pech. Ein netter Lyft-Fahrer brachte und und unsere Einkäufe dann fix wieder nach Hause. Ich beschloss, einfach etwas von meinen Vorräten im Zimmer zu essen oder mitzubestellen, falls der Rest das machen würde.

Wie so oft trafen wir uns wieder alle in Reggy's Zimmer und aßen zunächst unser Essen. Ich weiß schon gar nicht mehr genau, aber ich denke ich habe einfach ein paar Ramen-Fertiggerichte gegessen. Davon hatten wir genug, da die auch wirklich billig waren. Danach war heute mal Filmabend angesagt. Wir hatten keine Präferenzen, aber als Netflix uns angesagte Filme vorschlug und fast alle davon irgendwelche Pandemie-Apokalypse-Zombie-Weltuntergangs-Filme waren, hatte Peter die Idee: Train to Busan! Ein Zombie-Film aus Südkorea, der aber weltweit so bekannt ist, dass vielen von uns der Name bekannt vorkam (inklusive mir). Wir waren uns zwar trotzdem etwas uneinig, es war ja immerhin eine Art Horrorfilm (bzw. Zombie-Thriller), aber die Befürworter des Films konnten sich durchsetzen. Und was soll ich sagen, ich hätte nicht gedacht, dass mir ein Film mit einem solchen Thema so gut gefällt. Die Story war gut, nicht allzu doof gemacht und spielte hauptsächlich in einem Zug und an verschiedenen Bahnhöfen in Südkorea. Das emotionale Ende fesselte uns alle. Und ich glaube der Fakt, dass wir uns in einer globalen Pandemie befinden, hat das Ganze noch etwas aufregender gemacht. :D Wir waren so angefixt, dass wir danach gleich noch einen Horrorfilm schauten und zwar den erstbesten Trash-Film den wir finden konnten. Er hieß Truth or Dare und obwohl er teilweise sehr martialisch und gruselig war, war er gleichzeitig auch ziemlich schlecht und daher fast schon lustig. Die anderen machten sich Späße daraus, vor allem Ema immer wieder zu erschrecken, bei der das aber auch super leicht ging. Aber auch Peter musste dran glauben, nachdem er von der Toilette wiederkam. Ach ja, das war schon lustig. Als nach 0 Uhr die meisten zurück auf ihr Zimmer gingen, wollte Kiki uns aber noch dazu überreden in ihr Zimmer zu kommen, da sie ja morgen zurückfährt und noch Süßigkeiten und Alkohol hat, das beides wegmuss. Sie schaffte es, Joaquin, Peter und mich dazu zu überreden. Ich aß eine Menge Red Vines (eine Art Gummischnüre, die fast wie Pappe schmeckten, aber ich fand es irgendwie gut) und nahm einen winzigen Schluck von ihrem billigen Whiskey. Sie selbst bediente sich mit Joaquin schon ein bisschen mehr. Am Ende wurden es noch zwei Stunden in denen wir Musik hörten und Kiki und Joaquin sich über ihr jeweiliges Spanisch lustig machten und sogar ein bisschen streiteten (nicht ernst gemeint natürlich). So saßen Peter und ich hauptsächlich herum und erfuhren, dass das Spanisch in Chile und das in Costa Rica wohl total verschieden sind. Irgendwann wurden wir so müde, dass wir uns von den anderen verabschiedeten und runter auf unser Zimmer gingen. Es wurde wirklich Zeit. Mal schauen, was der morgige Tag wieder für verrückte Geschehnisse mit sich bringt.

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Musikempfehlung des Tages: Coldplay - Fix You