07März
2020

Warum nicht mal Skifahren gehen?

Ja, warum eigentlich nicht? Das dachte ich mir, als mich gestern Ema fragte, ob ich mitkommen will. Sie kennt wohl jemanden, der für eines der etwa 20 Ski Resorts in der Gegend freie Tagespässe hat. Ich bin zwar seit 8 Jahren (oder länger?) nicht mehr Ski gefahren aber hey, ich bin in meinem Auslandssemester und ich wohne auch noch so nahe an der Lake Tahoe Area, dass man es fast ausprobieren muss. Einen Nachteil gab es: Ich musste früh aufstehen. Das Resort ist tatsächlich das, das am weitesten von Reno entfernt liegt. Die Fahrt dauert über 1,5h und um möglichst den ganzen Tag auskosten zu können, wollten wir schon um 7:10 Uhr losfahren. Die anderen hatten eher weniger Lust darauf, was entweder an Joaquin's Party in der Nacht vorher lag oder daran, dass sie einfach nicht daran interessiert sind. Tja, Pech! Ema überzeugte wohl am Abend vorher noch zwei ihrer Freundinnen aus dem Tennis-Team und so waren die fünf Plätze vergeben.

So begab es sich also, dass ich um 6:45 Uhr nach 4 Stunden Schlaf laut von meinem Wecker geweckt wurde, mich fertig machte und um etwa 7:10 Uhr im Eingangsbereich der Sierra Hall auf Ema und Carla (aus Spanien) traf und wir zu Evan ins Auto stiegen. Evan kommt aus den El Dorado Mountains in Kalifornien, zwischen Lake Tahoe und Sacramento und ist in seinem letzten Jahr an der UNR. Sein Vater arbeitet in Teilzeit beim Sierra-at-Tahoe Ski Resort und hat daher die Pässe gratis bekommen. Wir fuhren zuerst zum Wolf Pack Tower um dort Eliza abzuholen. Sie kommt aus Russland und ist auch Teil des Tennis-Teams. Im Anschluss wurde dann noch ein kurzer Stop bei Starbucks eingelegt und zwar genau bei dem Starbucks neben meinem Great Clips-Friseur (ich sah sogar meine Friseurin) und bei dem Starbucks in dem Evan nebenher arbeitet. Seine Bestellung war damit 50% günstiger. Ich bestellte mir einen Iced Green Tea, der richtig gut tat um wach zu werden. Wir fuhren dann Richtung Carson City und noch weiter bevor wir nach Westen abbogen und die Berge hinauffuhren. Das Wetter änderte sich schlagartig und auf einmal fanden wir uns in einer Schneelandschaft wieder. Irgendwann erschien dann auch Lake Tahoe zu unserer rechten Seite. Ein atemberaubender Anblick! Wir kamen wieder in besiedeltes Gebiet und erreichten irgendwann eine Ansammlung von Casinos. Es war klar, was folgte: Die Grenze zu Kalifornien! Auf einmal befanden wir uns in South Lake Tahoe, dem größten Ort am Ufer des Sees. Und es wurde so touristisch wie es nur geht. Viele Leute überall, viele Einkaufsmöglichkeiten und ein großes Ski-Resort, das in den Ort übergeht. Das soll aber noch nicht unser Zeil gewesen sein. Eine kurvige Seitenstraße und noch ein paar Höhenmeter später bogen wir links ab und auf einmal waren wir da: Sierra-at-Tahoe! Wir zogen uns so gut es geht um. Evan war natürlich gut vorbereitet und hatte seine ganze Ausrüstung dabei. Er fährt seit seiner Kindheit Ski und das macht er auch immer noch regelmäßig. Ema hatte zumindest das passende Outfit dabei. Ich hatte Thermounterwäsche, was sich später als kluger Schachzug herausstellen sollte. Carla und Eliza hatten quasi nichts mit. Einen Teil der Kleidung bekamen sie von Evan, der noch Jacken und Helme übrig hatte. Ich bekam sogar auch eine coole Ski-Jacke und eine Sonnenbrille. Den Rest mussten wir uns aber leihen. Die Hauptcombo aus Skiern, Schuhen und Stöcken hatte ich gestern schon etwas günstiger gebucht (also für 50$). Ich muss dazu sagen, dass das Sierra-at-Tahoe schon ein etwas teureres Resort ist. Die Gratis-Pässe für einen Tag würden normalerweise 110$ pro Person kosten. Da hatten wir schon Glück. Leider brauchte ich auch noch einen Helm und eine Hose, sodass ich am Ende 82$ zahlte. Naja, das geht schon mal. Wir holten uns noch die Pässe ab und lernten dabei Evan's Vater Ron (von der Ski Patrol) und dessen guten Freund Omar kennen. Beide sollten uns den ganzen Tag über beim Skifahren begleiten und waren stets fröhlich und nett. So macht das doch gleich viel mehr Spaß! Ach ja, die Frau an der Passausgabe hatte offenbar ein paar Probleme mit unseren ausländischen Ausweisen, die wir vorzeigen mussten. Besser gesagt mit meinem. Ich kann es mir nicht erklären, aber auf meinem Pass stand am Ende nicht mein Name, sondern mein Geburtsort, den sie als Name gedeutet hatte: Mark Tredwitz. Ich muss zugeben, das ist einfacher als mein wirklicher Name. :D

Vor der ersten Abfahrt war ich schon etwas angespannt. Eigentlich hatte ich es damals im Skilager gelernt, aber ob ich das nach so vielen Jahren noch weiß? Wie sich herausstellte, hatten Carla und Eliza noch weniger Erfahrung als ich und zwar gar keine. Ich beschloss also, mich für die erste Fahrt auf dem Bunny Hill (dem einfachsten Hügel) an die beiden ranzuhängen. Evan erklärte sich bereit, den beiden die Grundlagen zu lehren. Und so startete die erste Fahrt mit dem Lift und meine erste Skifahrt seit langem. Die ersten Züge waren zwar etwas holprig, aber ich konnte mich tatsächlich an die Basics erinnern und kam am Ende viel früher und viel lässiger unten an als Carla und Eliza. Ron, Omar und Ema (die letzteren beiden übrigens mit Snowboard statt Ski) standen auch unten und wir stellten fest, dass das bei den beiden wohl etwas länger dauern würde (was auch verständlich ist). So splitteten wir uns kurzerhand von den anderen ab und nahmen gleich mal den Lift zum Nob Hill, der zu einigen anderen Anfänger- aber auch Fortgeschrittenen-Pisten führte. Der Lift war übrigens sehr alt, eng und ohne richtige Sicherung. Sowas würde in Deutschland nicht mehr durchgehen. Aber das war gottseidank nur bei diesem so. Wir überstanden die Lift-Fahrt und fuhren den Upper Main-Kurs runter, der auf einmal in den Lower Main-Kurs mündete. Und der war nicht mehr grün (Anfänger) sondern blau (Mittel). Außerdem war es genau die steile Piste, die mir als erstes Angst gemacht hat, als wir angekommen sind und ich hatte mir schon gesagt, dass ich da heute nicht runterfahren werde. Tja, aber da stand ich nun. Die zweite Abfahrt und schon schaue ich einen steilen Abhang hinunter ins Tal. Ich hätte auf die grüne Corkscrew-Piste ausweichen können, aber ich traute mich und stürzte mich mit den anderen den Lower Main hinunter. Und was soll ich sagen, auch wenn meine Technik etwas zu wünschen übrig lässt, ich kam ohne Schrammen und ohne Unfälle runter und war fast ein wenig überrascht von mir selbst. Ich hatte nun Blut geleckt und erkundete mit Ema, Ron und Omar gleich noch mehr Pisten. Die blaue Marmot-Piste war als nächstes dran. Diese war ein bisschen enger und führte richtig durch den Wald. Am Ende kam man an einem anderen Lift an, der einen wieder rauf auf dem Berg führte. Oben konnte man sich dann gleich die blaue Escape bzw. Upper Sleighride und die grüne Lower Sleighride runterstürzen. Ich konnte es kaum fassen, aber es machte Spaß! Und ich konnte mithalten mit den anderen! Ich begann das erste Mal zu verstehen, warum so viele Leute so fasziniert vom Skifahren sind. Es ist schon eine coole Kultur irgendwie. Man muss es eben nur können. Und eventuell ein bisschen Geld haben.

Unsere Freuden wurden etwas getrübt als es anfing zu schneien. Erst nur ein bisschen, dann aber richtig (also richtig dicke Flocken)! Später fand ich heraus, dass in Reno keine einzige Flocke gefallen ist. 1000m Höhenunterschied eben. Für das Ski-Resort bedeutete das allerdings, dass einige Lifte, vor allem die die zum Grandview und zur Backside führten, geschlossen werden mussten. Der Wind machte das unmöglich. Naja, dann ging es eben noch ein paar Mal den Nob Hill rauf. In der Zwischenzeit hatte es Evan geschafft, den anderen beiden ein bisschen was beizubringen, aber vor allem bei Eliza sah das alles noch sehr holprig aus. Er wollte nun auch mal loslegen und stürzte sich daraufhin den Lower Main in einer Geschwindigkeit hinunter für die man wohl lebensmüde sein muss. Aber sowas kann man eben nach über 15 Jahren Ski-Erfahrung.

Es war dann schon 14 Uhr und wir waren alle hungrig und durstig. Wir gingen in eine der Stuben am Resort und mir fielen erstmal die Augen aus dem Kopf als ich die Preise sah. Etwa 15$ für einen normalen Burger. Jap, man darf echt nicht arm sein wenn man gerne Ski fährt. Gottseidank ist Ron ja ein Mitarbeiter beim Resort und bekommt daher alles 50% günstiger - für uns alle. Ich bestellte eine Poutine (die nicht kanadisch war) und ein Getränk für über 16$ und musste nur 8$ bezahlen. Das wäre auch so ein angemessener Preis gewesen. Aber eben nicht in der Ski-Welt. Das Essen schmeckte gut, es gab (gar nicht mal so gute) Live-Musik und im Fernsehen wurde die XFL übertragen. Ich nutzte die Pause um mich meinen zahlreichen Social Media-Nachrichten und -Posts zu widmen. Da schaut man mal 4 Stunden nicht auf sein Handy und dann sowas. Ema unterlief bei ihrer Social-Media-Pflege ein kleiner Fehler, als sie ein Lift-Video auf ihrem offiziellen Instagram-Kanal postete (sie hat tatsächlich einen offiziellen und einen privaten). Sie vergaß, dass ihre Krafttrainerin ihr folgt. Genau wie die anderen Athleten auch, dürfte sie heute eigentlich gar nicht hier sein. In ihrem Vertrag heißt es, dass Athleten keinen verletzungsanfälligen Aktivitäten nachgehen dürfen, sonst kann ihnen ihr Stipendium weggenommen werden. Skifahren ist da eigentlich das schlimmste was man machen kann. Aber alle Athleten, die ich bisher kennengelernt habe, setzen sich ab und zu darüber hinweg und ich kann sie auch ein bisschen verstehen. Immerhin will man ja auch mal leben und nicht seine Hobbys bedingungslos aufgeben. Gottseidank gab es bis jetzt keine Konsequenzen und ich denke das wird auch so bleiben, da muss schon mehr passieren.

Nach der Pause trödelten die anderen etwas zu sehr. Die Lifte schlossen um 16 Uhr und wir hatten nur noch eine Stunde. Nachdem wir erst 15 Minuten nach Carla's Handschuh gesucht hatten und uns dann entschieden hatten, wohin es gehen soll, stiegen wir in den Lift zum Marmot und Beaver-Hang. Oben waren sich Carla und Eliza nicht sicher, was sie machen wollen. Eliza blieb am Ende auf dem Bunny Hill aber Carla traute sich. Sie schlug sich gut, allerdings verzögerte sie das Ganze ungemein, da sie sehr langsam unterwegs war. Evan blieb stets bei ihr und es tat mir etwas leid, dass gerade er am Ende nur eine richtig schnelle Abfahrt machen konnte. Wir nahmen noch einen letzten Lift zum Escape und den Sleighrides und das war's dann. Umgezogen, alles zurückgegeben, Gruppenfoto gemacht und sich von Ron und Omar verabschiedet und bedankt. Natürlich hatte ich Glück, dass ich jemanden kannte, der jemanden kennt, der gratis Tagespässe für dieses Ski-Resort hat. Aber ich bereue es am Ende nicht, ja gesagt zu haben. Ich hatte heute um einiges mehr Spaß als ich vorher gedacht hätte. Und auch wenn ich vermutlich nicht zum Ski-Freak werde, habe ich doch vor, es in Zukunft öfters zu versuchen. Die Message dahinter: Traut euch was! Wenn es dann doch nicht cool ist, habt ihr wenigstens eine nette Geschichte zu erzählen. :)

Auf der Heimfahrt sprach ich fast ununterbrochen mit Evan über alles mögliche: Sport, Autos, Verletzungen, Musik. Über was man eben so spricht wenn man jemanden kennenlernt. Evan ist ein echt netter Typ, der schon viel erlebt hat und so einiges dummes Zeug gemacht hat. Es ist schon irgendwie verrückt, wie viele Leute ich hier gefühlt jede Woche kennenlerne. Auch das bringt ein Auslandssemester eben so mit sich. Die Mädels schliefen auf der Rückbank übrigens nach und nach ein und bekamen von dem ganzen Gespräch nur wenig mit. :D

In der Sierra Hall angekommen, verabschiedete ich mich von Ema (und bedankte mich!), die leider meinte, dass sie sich etwas kränklich fühlt. Ich denke, wir brauchen alle jetzt erstmal Ruhe. Ich sprang erstmal unter die Dusche und traf mich dann nochmal kurz mit Joaquin, Reggy, Diana und Peter zum Abendessen in der Mensa. Wir tauschten uns über unsere Tage aus und ich hatte eindeutig den besten (:P). Im Anschluss ging ich nochmal in den Konferenzraum um Hausaufgaben zu machen. Ich schaffte sogar ein bisschen was. Unter anderem diesen und den gestrigen Blogeintrag, die ich mal wieder viel zu ausschweifend formuliere. Ich hoffe ihr freut euch darüber! :D See you!

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Musikempfehlung des Tages: Francesco Gabbani - Amen